Mitten in Geretsried:Chlorhauch statt Glühweinduft

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Die Stadt lädt ein zum "Schwimmen im Lichtermeer" - und das im örtlichen Problembad...

Von Wolfgang Schäl

Der Advent steht vor der Tür, mal wieder, vier lange Wochen, an deren Ende unerbittlich der Heilige Abend nebst zwei kalorienträchtigen Feiertagen steht. Diese allseits als stille, vulgo stade Zeit bekannte Spanne ist in Wirklichkeit eine klebrige Mixtur aus voreilig genaschten Zimtsternen und Lebkuchen, äußerer Unruhe und einer durch den aktuellen Lichtmangel verursachten Sentimentalität, die einhergeht mit einer grimmigen Heiterkeit.

Diese wiederum befällt uns unweigerlich beim Studium all jener Geschenkkataloge, die gerade auf uns niederprasseln, gedruckt und im Netz. Wir erwähnen an dieser Stelle nur den "Adventskalender für Männer" der Versandfirma Amazon, der für jeden Dezembertag eine neue, die Besinnlichkeit fördernde Überraschung bereithält, darunter Gerätschaften für den Heimwerker, Grillschürzen, Stirnlampen und Duschgel der Marke "Cool Water". Mit der Lampe und dem Duschgel steuern wir nun direkt auf eine Bekanntmachung der Stadt Geretsried zu, die zum "Schwimmen im Lichtermeer" ins Hallenbad einlädt. Unser erster Gedanke beim Stichwort Meer war, dass da wohl kleine, illuminierte Schiffchen auf den Wellen tanzen, so wie in Wolfratshausen bei der Floßprozession. In Geretsried aber wird es wohl so sein wie schon in den vergangenen Jahren: Der Bademeister zündet tausend Teelichter an, die dann am Beckenrand und an den Fenstersimsen aufgereiht für Erbauung sorgen. Es ist eine sicherlich anstrengende Aufgabe, so viele Kerzlein gleichzeitig leuchten zu lassen, denn bis das letzte angezündet ist, ist das erste vermutlich schon wieder erloschen. Aber egal, den Gästen wird es schon gefallen, und die Stadt profitiert ja auch davon, wenn sie das Problembad, das längst zum teuren Auslaufmodell geworden ist, noch ein bisschen auslasten kann. So gesehen macht das Konzept für alle Seiten Sinn. Statt Glühweinduft ein sanfter Chlorhauch, dazu als Dreingabe der Stadt ein halbes Stündlein stimmungsvoller Wassergymnastik, bei der garantiert keiner ins Schwitzen kommt. Wichtig ist es uns übrigens zu betonen, dass die festlich illuminierte Körperertüchtigung aus feuerpolizeilicher Sicht ganz unbedenklich ist. Denn die Gäste tragen heutzutage ja nur noch schwer entflammbare Bademützen und, was besonders von Vorteil ist: Sie strampeln direkt im Löschwasser.

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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