Mitten in der S-Bahn:Ansage von vorne

Wer steht, wird wütend - und wer fährt, der auch

Von Barbara Briessmann

Die Notfallfahrpläne in der Hand, die Wut im Bauch - so stehen die Menschen an zwei Tagen an den S-Bahnsteigen. Drei Buchstaben sorgen bei vielen inzwischen nur noch für Zornesröte und Hasstiraden: GDL. Zum siebten Mal geht die Lokführer-Gewerkschaft in den Ausstand und sorgt im Schienenverkehr für weitgehenden Stillstand - von Millionen Menschen. Am Pranger steht "dieser Weselsky" - wie er sonst noch tituliert wird, verkneifen wir uns jetzt an dieser Stelle. Nix gegen das Streikrecht, schimpft einer der Wartenden, aber das sei doch nun wirklich asozial.

Der Grant der Fahrgäste ist nicht verflogen, als die S-Bahn im Not-Stundentakt einfährt. Da meldet sich plötzlich ein anderer zu Wort, den die asoziale Kundschaft offenbar gehörig in Wut versetzt hat. "Das ist jetzt mal eine Ansage", tönt es aus dem Lautsprecher im Waggon. "Da hat mir gerade ein junger Mann den Mittelfinger gezeigt." Der Lokführer wird deutlicher und schreit fast: "Ich arbeite, ich streike nicht!"

Im Zug grummeln manche, andere nicken verständnisvoll, wieder andere lamentieren herum, dass dies ja schon der siebte Streik sei. Für die kommende Woche plane die Gewerkschaft schon den nächsten Ausstand - und damit Chaos und Stillstand.

Doch der Lokführer ist nicht fertig mit seiner Ansage. Er schiebt deutlich berlinernd eine Drohung hinter: "Wenn ich weiter so angemacht werde, trete ich auch der GDL bei. Und dann fährt euch keiner mehr."

Schweigen.

© SZ vom 24.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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