Mitten in Bad Tölz:Surfen im Finanzamt

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Der Heimatminister weiß, wie man Menschen in Behörden lockt

Von Konstantin Kaip

Als Hotspot hat man vor noch nicht allzu langer Zeit solche Orte bezeichnet, die aufgrund ihrer spezifischen Qualitäten regelmäßig von einer größeren Anzahl jüngerer und trendbewusster Menschen aufgesucht wurden. In Bad Tölz zum Beispiel konnte man etwa das Kesselhaus einen Hotspot nennen, weil der Laden mit Bar und Bühne ja als angesagter Treffpunkt gilt.

Wer heute von einem Hotspot spricht, meint aber in der Regel etwas anderes: einen freien Zugangspunkt für kabelloses Internet. Irgendwie logisch. Denn um regelmäßig eine große Menge junger Leute anzulocken, reicht das ja inzwischen in vielen Fällen aus. Wer braucht schon eine gute Aussicht, eine besondere Atmosphäre, gute Bands oder ein besonderes Angebot, wenn er eh nur auf den Bildschirm seines Smartphones schaut? Angesagt ist jeder Ort, an dem die Digital Natives ohne Einschränkung stundenlang mit Freunden auf Facebook chatten, World of Warcraft zocken oder Schmink-Tutorials auf Youtube schauen können.

Für sie ist demnach von nun an das Tölzer Finanzamt der heißeste Ort in Kurtown. Dort nämlich hat der bayerische Heimat-und Finanzminister Markus Söder am Montag einen W-Lan-Hotspot freigeschaltet. Damit könne nun jeder Besucher des Finanzamts "kostenlos, rund um die Uhr, ohne Begrenzung, sicher und mit Jugendschutzfilter im Internet surfen", verkündete triumphierend der Minister, der ja hart daran arbeitet, sich selbst zu einer Art wandelndem Hotspot zu machen - sei es im Fasching als Stoiber verkleidet, mit markigen Sprüchen oder mit innovativen Initiativen. Zu denen gehört auch der Drahtlos-Ausbau, mit dem Söder aus Bayern das "W-Lan Land Nummer eins in Deutschland" machen will: Bis 2020 sollen 10 000 kostenfreie Hotspots im Freistaat entstehen. Im ersten Zug richtet das Finanzministerium die an 100 Standorten des Finanzressorts ein, darunter auch auf 15 Schiffen der Seenschifffahrt.

Die Initiative ist schließlich auch eine findige Image-Kampagne für Orte, die bislang eher gemieden wurden. "Ich geh' noch Surfen ins Finanzamt", heißt es jetzt in Bad Tölz. Da freut sich natürlich der Heimatminister, der längst weiß: Home is where my homepage is.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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