Mitten in Bad Tölz:Baumelnde Bäume

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Mitarbeiter des Tölzer Bauhofs haben ein Ungetüm von Christbaum in der Marktstraße im Handumdrehen aufgestellt. Solche Professionalität ist daheim im Wohnzimmer nicht jedem gegeben

Von Klaus Schieder

Die Mitarbeiter des Tölzer Bauhofs sind Profis, das hat man gleich gemerkt, als sie diese Woche dem Kaspar Winzerer oben in der Marktstraße ein Ungetüm von Christbaum vor die Nase gestellt haben. Der schätzungsweise 15 Meter hohe und fünf Meter breite Ast-Palast hing erst gefährlich windschief am Kran, aber alles ging gut: Kein Zweig durchbrach rammbockartig die Fenster des Stadtmuseums und räumte in der Ausstellung, Abteilung Kistlerei, die Tölzer Kästen in die Ecke. Mit einer Motorsäge schnitt ein Arbeiter noch rasch den dicken Stamm zurecht. Rein ins Erdloch. Steht. Und das kerzengerade. Die Schaulustigen, die dieses Beispiel fachmännischen Christbaumaufbaus verfolgten, hätten sich nicht unter die Torbögen der Nachbarhäuser ducken müssen. Eine übertriebene Vorsicht, fast schon beleidigend.

Ein wenig Neid sei erlaubt. Das handwerkliche Talent verhält sich bei unsereinem ja umgekehrt proportional zur Größe des Tölzer Weihnachtsbaums. Wir sind schon froh, wenn wir beim Zusammenschrauben eines Badeschränkchens aus dem Baumarkt am Ende nicht aus lauter Zorn zur Säge greifen. Oder eben beim Aufstellen des Christbäumchens. Das lief jahrelang nach dem gleichen Schema: Erst räumten wir das Mobiliar im Wohnzimmer sicherheitshalber weg, sodann versuchten wir, den Stamm in den Ständer zu drücken. Ging nicht. Zu dick, wie immer. Also griffen wir zum Küchenmesser, legten anschließend eine Zwangspause ein und brachten das vermaledeite Ding mit Wundpflastern an den Händen in die Schräglage. Fummelten am Ständer herum, Schräglage. Fummelten noch mal, Schräglage. Bekamen einen Wutanfall, gleich darauf den Baum an den Kopf. In unserer Not schlugen wir schlussendlich einen Nagel in die Wand und mitunter auf den Daumen, befestigten daran eine Schnur, schlangen sie um den Stamm und zogen den widerspenstigen Ast-Mast halbwegs in die Gerade.

In der Marktstraße werden sie nun bald den wuchtigen Gesichtsschutz für Kaspar Winzerer schmücken. Mit Strohsternen. Mit Lichterketten. Apropos: Früher mussten wir auch noch zwei Tage Urlaub nehmen, um die verhedderten Kabel unserer Elektroglühbirnenbeleuchtung auseinanderzuknoten. Aber das ist vorbei. Wir haben schon vor einigen Jahren einen fertig geschmückten Kunststoffbaum gekauft, den wir vor den Feiertagen ein wenig abstauben. Ganz professionell. Und völlig unfallfrei.

© SZ vom 23.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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