Mitten in Bad Tölz:Alpenschönheit sucht Partner

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Heutzutage werden Freunde per Mausklick gesucht. Für eine enge Bindung braucht es aber mehr Aufwand

Von Klaus Schieder

Vor einem halben Jahrhundert muss es arg beschwerlich gewesen sein, eine Städtepartnerschaft zu schließen. Damals blieb Studiendirektor Ernst Schweinberger aus Bad Tölz nichts anderes übrig, als sich selbst auf den weiten Weg zu machen, um irgendwo im Französischen nach einem Städtchen zu forschen, das geneigt wäre, mit den Tölzern eine freundschaftliche Beziehung einzugehen. Wir stellen uns vor, wie der Studiendirektor in einem VW Käfer oder gar einer Isetta 600 nach mindestens drei Pannen doch in diesem Leben noch die französische Grenze erreicht, in der Bretagne von Rathaus zu Rathaus eilt und mit seinem Ansinnen vorstellig wird - ohne rechten Erfolg. Bad e Téls? Pardon? Ah, Bavière, wird man ihm vielleicht geantwortet haben. Und sonst nicht viel mehr. Außer natürlich Adieu. Erst in Vichy in der Auvergne fand Schweinberger mehr Entgegenkommen. Dort entschloss man sich zu einer Liaison mit diesen Gamshutträgern, mit denen man ja nicht nur unter Napoleon schon mal alliiert war.

Armer Studiendirektor. Aber was hätte er auch machen sollen, um einen Freund für die Kurstadt zu finden? Eine Alternative wäre damals allenfalls eine Kontaktanzeige in den Lokalzeitungen gewesen. Etwa so: Liebliche Alpenschönheit, nicht mehr ganz jung, aber noch gut erhalten, sucht gleichgesinnten Partner zum Austausch von Wimpeln, Schülern und Musikkapellen, spätere Heirat mit Partnerschaftsvertrag nicht ausgeschlossen, Chiffre-Nummer . . .

Heutzutage geht das viel einfacher. Da gibt es das Internet mit seinen Homepages und seinen Videokonferenzen auf Skype. Noch leichter läuft das Anbandeln in den sozialen Netzwerken wie Facebook, wo man nur mit dem Zeigefinger kurz auf die Maus drücken muss - und schon hat man einen Freund, den Freund eines Freundes, einen nicht ganz so guten Freund, vulgo Bekannten, oder den Bekannten eines Freundes, oder wie auch immer. Das Dumme ist nur, dass die Haltbarkeit solcher Kontakte meist kürzer ist, als die Reise Schweinbergers nach Frankreich gedauert hat - die Zeit für die Autopannen weggerechnet. Dagegen hat sich die Mühe des Studiendirektors gelohnt: Vichy und Bad Tölz sind nun schon 50 Jahre liiert. Goldene Hochzeit, sozusagen. Na dann: Félicitations!

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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