Mitten im Landkreis:Wenn der Adressat staunt

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Worüber die Parteien zum Neujahrsempfang sprechen, ist verwunderlich. Statt der Sondierungsverhandlungen mit der SPD theamtisiert die Kreis-CSU die Denkmalpflege. Und die Grünen laden zum Lichtmessempfang

Kolumne Von Klaus Schieder

Manchmal gelingt es Parteien im Landkreis, in ihren Einladungen zum Neujahrsempfang zu verblüffen. Vom CSU-Kreisverband hätte man heuer erwartet, dass er sich mit den Sondierungsgesprächen auseinandersetzt, die gerade in Berlin laufen und von christsozialen Parteigranden vor jedem Fernsehmikrofon und jeder Kaufhaus-Überwachungskamera vorab kommentiert wurden. Aber nix da. Stattdessen überrascht die Kreis-CSU mit einem Thema, das selbst geneigte Sektglashalter in der Parkvilla in Bad Heilbrunn näher ans Eindösen bringen dürfte. Um "Denkmalpflege - näher am Bürger" geht es am nächsten Sonntag, was politisch sicher ein ganz heißes Eisen ist, aber als Aufreger momentan doch eher kalt lässt. Ein solches Sujet hätte man eher den Grünen zugetraut, die in Berlin bereits aussondiert haben. Aber was machen die? Laden zum Lichtmessempfang in Bad Tölz ein. Zum was? Ganz richtig gelesen: zum "Grünen Lichtmessempfang 2018"!

Bevor gleich jemand mault, sogar CSU und Grüne seien in ihrer Themensetzung inzwischen völlig verwechselbar, sei eine Anmerkung gestattet: Mit dem Tölzer Stadtrat Peter Priller haben die Kreis-Grünen nun mal einen Priester in ihren Reihen. Gleich nach einführenden Worten von Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth, die irgendwas über aktuelle Entwicklungen in der Gesellschaft erzählen soll, kommt Priller in seinem Vortrag auf "Kulturelles und Historisches über Lichtmess" zu sprechen. Vielleicht wird er schildern, wie früher am 2. Februar die Weihnachtszeit endete: Die Christbaumskelette wurden aus den Kirchen gezerrt und die Nadeln zusammengekehrt, ungefähr so wie grüne Grundpositionen in den Verhandlungen mit CDU/CSU und FDP. An Lichtmess wechselten einstmals auch die Dienstboten ihre Herrschaften, Knechte und Mägde zogen von Hof zu Hof. Sie hofften insgeheim auf bessere Zeiten und bekamen das Übliche, wie eben heute das Wahlvolk. Und dann stellt sich an Lichtmess noch heraus, wie lange der Winter bleibt: "Ist's zu Lichtmess klar und hell, kommt der Frühling nicht so schnell." Und eine neue Regierung vermutlich auch nicht flotter.

Das ist nur ein Teil der Korrelationen, die der Theologe und Stadtrat zwischen Tag und Politik knüpfen könnte. Auf jeden Fall soll es "ein gemütlicher und inspirierender Abend" werden, schreiben die Kreis-Grünen in ihrer Einladung. Allerdings lässt sich ein Verdacht nicht verdrängen: Der Lichtmessempfang heißt bloß so, weil es für einen Neujahresempfang am 2. Februar schon zu spät ist.

© SZ vom 09.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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