Mitten im Landkreis:Aberwitziger Aberglaube

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So aufgeklärt, wie der moderne Mensch sich gibt, verhält er sich oft gar nicht

Von Rita Baedeker

In den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr Wäsche aufhängen? Bloß nicht, das bringt Unglück, sagen all jene, die abergläubisch sind. Mittags etwas essen, das im Bauch aufquillt, denn dann geht das Geld nicht aus (dafür zwickt die Hose!). Alle Schulden bis Silvester tilgen, sonst bleiben sie kleben! Schwierig bei Ratenzahlungsverträgen. Abergläubisch sind in diesen Tage sehr viele, von denen man eigentlich geglaubt hätte, sie seien moderne aufgeklärte Menschen. Aber! Das Wörtchen "aber" spielt hier die entscheidende Rolle, denn es führt den Aberglauben schon mal ad absurdum und deklassiert das Geglaubte als blühenden Unsinn oder zumindest überholtes Wissen.

Jetzt denke aber niemand, mit solchen Spitzfindigkeiten könne man Menschen, die abergläubisch sind, beeindrucken oder gar bekehren. Ganz im Gegenteil. Wer abwertend vom Aberglauben spricht, bekommt sofort eine Reihe von Geschichten und Begebenheiten um die Ohren gehauen, die angeblich zweifelsfrei beweisen, dass etwas dran ist an den dunklen Mächten, den magischen Ge- und Verboten, die zwischen den Jahren zu beachten sind. Etwa die Sache mit der Wäsche. Kann man ernsthaft glauben, dass die "Wilde Jagd", die in den Raunächten ihr Unwesen treibt, Hemden, Hosen und Socken klaut?

Die Ursprünge dieses Aberglaubens liegen in der Vorstellung, dass es Unglück bringe, zwischen den Jahren zu arbeiten. Vermutlich hielten deswegen vor allem die Frauen an der Geschichte fest; dann hatten sie mal ein bisschen Muße. Außerdem: Wer damals im Finsteren saß, ohne elektrisches Licht, mit dem ging schon mal die Fantasie durch, etwa dergestalt, dass Dämonen in die zum Trocknen aufgehängten Kleidungsstücke fahren und so deren Besitzer im folgenden Jahr mit Unheil verfolgen. Oder dass die Wilde Jagd sich in der Wäscheleine verfangen könnte. Wagt man zu fragen, was eigentlich Geister mit unserer Wäsche anfangen sollten, erntet man böse Blicke, die ja auch nicht ungefährlich sind.

Am einfachsten ist es, dem Aberglauben beim Bleigießen die Spitze zu nehmen. Nachdem die geschmolzenen Figuren zu allerlei amorphen Formen oder Klumpen erstarrt sind, sollte man allerdings seine Zunge hüten. Jetzt bloß nichts Falsches sagen. Nein, die an einen ruinierten Eckzahn erinnernde Form bedeutet nicht, dass der Betreffende bald ein Gebiss brauchen wird. Und ja, das eiförmige Etwas, das da im Wasser liegt, verheißt sicher eine freudige Nachricht.

Weil halt jeder gerne wissen würde, was die Zukunft bringt, wird von jeher ein bisschen gedreht an den unsichtbaren Schrauben des Schicksals. Aberglaube hin oder her. Aber am Sonntag ist Neujahr. Solange werden ja wohl die Vorräte im Wäscheschrank noch reichen . . .

© SZ vom 31.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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