Lobbyarbeit:Politik durch die Hintertür

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Abgeordnete im Wahlkreis beurteilen die Lobbyarbeit im Bundestag unterschiedlich. Und Klaus Barthel vertritt eine andere Meinung als seine SPD-Fraktion

Von Thekla Krausseneck, Bad Tölz-Wolfratshausen/Berlin

Dürfen Lobby-Organisationen auf die Bundesgesetzgebung Einfluss nehmen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt? Diese Frage beantworten Bundes- und Landtagsabgeordnete aus dem Landkreis unterschiedlich. Klaus Barthel, SPD-Bundestagsabgeordneter, fordert, dass Organisationen einer Veröffentlichung schriftlich zustimmen müssen. Bislang ist das nicht immer der Fall: Wie der Internet-Blog Abgeordnetenwatch.de aufgedeckt hat, gibt es noch die Möglichkeit, über die Parlamentarischen Geschäftsführer (PGF) der Fraktionen an Hausausweise zu gelangen. Von denen hat die Bundesverwaltung im vergangenen Jahr gut 1000 genehmigt und keinen abgelehnt. Die Namen der Organisationen, die darauf zurückgegriffen haben, werden bislang von CDU/CSU, SPD und der Bundesverwaltung geheim gehalten. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Alexander Radwan findet das nicht verwerflich.

Für den Bundestag gibt es eine Liste mit ausweisberechtigten Lobby-Organisationen: 2221 Eintragungen hatte sie im Dezember, davon verfügen nach SZ-Recherchen 575 bekannte Organisationen über einen Ausweis. Wer aber über die PGF einen Ausweis beantragt, muss nicht auf dieser Liste stehen. Die Bundestagsfraktionen der Grünen und der Linken haben ihre Listen öffentlich gemacht; auf die Grünen kommen demnach 18, auf die Linke vier Ausweise. Folglich haben die meisten Ausweise CDU/CSU und SPD beantragt - für welche Organisationen, verschweigen sie und begründen dies mit dem Datenschutz.

Die Unions-Fraktion, in der Alexander Radwan sitzt, gibt ihre Lobbyisten nicht preis. (Foto: oh)

Die SZ hat am Sonntag beim SPD-Stadtgespräch in Geretsried nach einer Stellungnahme gefragt. Die kam aber nicht zustande: Keiner der Sozialdemokraten hatte von der Angelegenheit gehört. Martin Bruckner, Vorsitzender der Geretsrieder SPD, zeigte sich betroffen und kündigte an, das Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Barthel zu suchen. Für diesen steht fest: Grundsätzlich sollten alle Organisationen unterschreiben müssen, dass sie einer Veröffentlichung zustimmen. Jedoch weist Barthel auch darauf hin, dass dies nicht vor "problematischen Praktiken" schütze - denn ein Lobbyist, der heimlich mit einem Abgeordneten in Kontakt treten wolle, der finde auch außerhalb des Bundestags genügend Möglichkeiten.

Der CSU-Bundestagsabgeordnete Radwan sagt, er halte das jetzige Verfahren der Bundestagsverwaltung für richtig; und er sehe auch keine Anzeichen dafür, warum er dem Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktion nicht zutrauen sollte, verantwortungsvoll mit der Frage umzugehen, welche Organisationen im Lobby-Register gemeldet werden sollten und welche nicht, damit keine Umgehung stattfindet. Alle Bürger hätten das Recht, in den Bundestag zu kommen, um mit den Abgeordneten zu sprechen, ohne dass ihre Namen öffentlich gemacht würden. Außerdem seien es nicht nur Lobby-Organisationen, die Hausausweise bekämen, sondern auch politische Stiftungen, Verbände und Journalisten. "Eine Grenzziehung ist schwierig", sagt Radwan.

Genauso die SPD-Fraktion, der Klaus Barthel angehört: keine Auskunft über Lobbyisten. (Foto: Georgine Treybal)

Die Fraktion der Freien Wähler hatte zuletzt 2011 den Antrag gestellt, dass auch für den Bayerischen Landtag eine Lobby-Liste eingeführt wird. Im Frühling 2012 wurde der Antrag mit der Mehrheit von CSU und FDP abgelehnt. Derzeit unternimmt die Fraktion mit einem Vorschlag für ein Informationszugangsgesetz einen neuen Vorstoß. Der FW-Landtagsabgeordnete Streibl sagt, er habe in der Lobby-Liste des Bundestags ein Vorbild gesehen; doch die über die PGF herausgegebenen Hausausweise "führen ja das Lobby-Register völlig ad absurdum". Er erhoffe sich von SPD und CSU auf Landesebene, dass sie auf die Verantwortlichen auf Bundesebene einwirken, "damit nicht der Anschein der Geheimniskrämerei entsteht. Denn das ist genau das, was zur Politikverdrossenheit führt".

Die Bundestagsfraktion der Linken war die erste, die ihre Liste offenlegte, schreibt Abgeordnetenwatch.de. "Es ist völlig normal, dass man versucht, Einfluss zu nehmen", sagt Andreas Wagner, Vorsitzender der Linken in Geretsried. Das Ganze dürfe nur nicht intransparent passieren. Wenn Lobbyisten im Bundestag ein- und ausgingen, solle das für die Öffentlichkeit nachvollziehbar sein - ganz besonders dann, wenn Unternehmen nicht nur Lobbyarbeit leisten, sondern dies mit Parteispenden verknüpfen.

© SZ vom 04.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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