Kulturehrenbrief:Ein Homme de lettres wie er im Buche steht

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Homme de Lettre: Albert von Schirnding spricht über Thomas Manns Josephsromane. (Foto: Hartmut Pöstges)

Albert von Schirnding: "Ich schreibe einfach weiter"

Interview von Stephanie Schwaderer

Eine Klingel gibt es nicht in dieser 750 Jahre alten Trutzburg, kein Internet und keine Heizung. Dafür Tausende Bücher. Ein paar Regalmeter hat Albert von Schirnding - Essayist und Lyriker, Altphilologe, Literaturkritiker und Pädagoge - mit eigenen Veröffentlichungen bestückt. Um von der Haustür in die Studierstube seines Schlosses in Harmating zu gelangen, muss er viele steile Stufen hinaufsteigen. Das macht er ohne erkennbare Mühe, charmant plaudernd. Seine 81 Jahre merkt man ihm nicht an.

SZ: Sie haben schon viele Auszeichnungen bekommen . . .

Albert von Schirnding: Na ja, so viele waren es auch wieder nicht.

Die Liste in Ihrem Wikipedia-Eintrag sagt etwas anderes: Sie beginnt 1982 mit dem Johann-Heinrich-Merck-Preis und endet, bislang, 2008 mit dem Friedrich-Baur-Preis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Mit welchen Gefühl nehmen Sie den Kulturehrenbrief des Landkreises entgegen?

Mit großer Freude. Weil es eine heimatliche Angelegenheit ist, etwas, das in meinen Horizont gehört. Obwohl ich in Regensburg geboren und aufgewachsen bin, verbinde ich mit Tölz einige Kindheitserinnerungen. Wir haben hier die Kriegsjahre 1942 bis 45 verbracht. Es ist schön für mich, in dieser geliebten Region ausgezeichnet zu werden. Ich fühle mich als Nachbar angesprochen.

Haben Sie im Landkreis kulturelle Anlaufstationen?

Die Nähe zu München ist eine starke Konkurrenz. Aber ich bin noch immer jede Woche mindestens einmal in Tölz, vor allem in der Buchhandlung Urban. Lange Zeit hatten wir in Tölz unseren Thomas-Mann-Kreis und haben uns beim Winzerer getroffen. Mit meinem Sohn war ich unzählige Male im Marionettentheater. Auch im Stadtmuseum geschehen interessante Dinge. Den Bullen sehe ich mir allerdings lieber im Fernsehen als im Museum an.

Tut Ihnen das in der Seele weh, dass Thomas Mann in Tölz scheinbar vergessen ist, aber dem Bullen gehuldigt wird?

Ach, Menschen interessieren sich halt mehr für solche Serien, das stört nicht. Eher macht es mir Sorge, dass hinter den geschützten Fassaden in der Marktstraße riesige Gewerberäume entstehen könnten. Das wäre eine Katastrophe.

Wenn Sie eine Laudatio auf sich halten müssten . . .

Das muss ich zum Glück nicht. Das hat ein Freund, Gerd Holzheimer, für mich übernommen.

Dann umgekehrt: Was würden Sie in Ihrem Leben anders machen, wenn Sie die Zeit zurückdrehen könnten?

Nichts. Wirklich. Schon als Zwölfjähriger hatte ich zwei Wünsche, von denen ich allen erzählt habe: Ich wollte Schriftsteller und Lehrer werden. Über meinen Schreibtisch habe ich einen Stundenplan gehängt, auf dem stand: 14 bis 15 Uhr schriftstellern. Mein Vater hat gesagt: Der spinnt. Aber ich habe das durchgezogen. Bis heute, bis zum Kulturehrenbrief!

Sie haben 50 Jahre lang in München und später in Schäftlarn Latein und Altgriechisch unterrichtet und begleiten noch immer Abiturienten nach Rom. Was sagen Sie zur Jugend von heute?

Sie ist nicht anders als die Jugend früher, trotz Internet und Smartphones. Wenn man ein bisschen tiefer kratzt, kommt der alte Schülertypus zu Tage. Es sind die gleichen Beziehungen, die man aufbaut. Es macht die gleiche Freude. Wenn man sich engagiert, kommt viel zurück.

Warum sollten Kinder heute noch Griechisch und Latein lernen?

Die Spezialisierung kommt früh genug und fürchterlich über sie. Da ist es wunderbar, ein Fundament zu haben. Im Griechischen wurzelt unsere Philosophie, unsere Dichtung und Geschichtsschreibung, die Wissenschaft. Allein in den ersten Worten, die man lernt - Psyche, Seele, Verstand - liegt viel von unserer Kultur. Ganz anders prägt uns das Römische, darüber lese ich gerade ein interessantes Buch . . .

Sie lernen noch immer dazu?

Ich fühle mich wie ein jämmerlicher ABC-Schütze!

Was haben Sie sich noch vorgenommen?

In meinem Alter sollte man sich nichts mehr vornehmen. Ich schreibe einfach weiter. Ein Leben ohne Schreiben - das wäre mir schwer erträglich. Gerade arbeite ich an einem Rom-Buch. Ich bin 43 mal dort gewesen und schreibe über römische Orte, die ich besonders liebe. Bisher weiß noch niemand von diesem Buch, aber ich würde mich freuen, wenn es erscheinen könnte.

© SZ vom 06.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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