Kommentar:Keiner sucht den Kompromiss

Lesezeit: 1 min

Es gäbe durchaus Lösungen im Hickhack um den Jodquellenhof und die Einquartierung von Flüchtlingen

Von Klaus Schieder

D as Hickhack um die Einquartierung von Asylbewerbern im Jodquellenhof gleicht einem Sackhüpfen, in dem jede Partei die andere anrempelt, um ihr Ziel zu erreichen. Ihre Motive sind zunächst einmal verständlich. Das Landratsamt muss die wachsende Zahl von Flüchtlingen halbwegs vernünftig unterbringen, ein leeres Hotel kommt da wie gerufen. Allemal besser als eine Turnhalle, die Asylsuchenden keinerlei Privatsphäre bietet, während Vereine und Schüler draußen bleiben müssen. Die Stadt hat ebenfalls Recht, wenn sie einen großen Wohnblock mitsamt ein paar Alibi-Praxen anstelle des Hotels an dieser zentralen Stelle des Kurviertels verhindern möchte, das sonst endgültig zu einer Schlafsiedlung verkommt. Auch der Jod AG ist nicht zu zürnen, wenn sie ihre Geschäftsinteressen und nach dem Verlustgeschäft Alpamare ein Wohnbauprojekt verfolgt, mit dem sie Geld einnimmt. All diese Interessen wären durchaus vereinbar - ohne Rempelei und mit mehr Willen zum Kompromiss.

Der ist kaum erkennbar. Im Landratsamt muss man sich schon fragen lassen, warum der von der Stadt ins Gespräch gebrachte Standort für ein Containerdorf bei Greiling kurzerhand abgelehnt wurde - unter anderem mit der Begründung, dass die 800 Meter entfernte Bushaltestelle zu weit weg sei. Oder warum die mobilen Unterkünfte in Lenggries, die mittlerweile ebenfalls als Erstaufnahmelager dienen, im Grunde noch immer nicht bezugsfertig sind, obwohl sie das seit Februar sein sollten. Der Tölzer Stadtrat wiederum blieb bislang die Antwort schuldig, wie er sich eine touristische Nutzung des Areals Jodquellenhof vorstellt. Noch ein Hotel? Der Betreiber dürfte es schwer haben, wenn in der Nähe die zwei Vier- und Drei-Sterne-Häuser neben dem geplanten Wellnessbad der Stadt gebaut sind. Die Jod AG wiederum sollte nicht so tun, als ginge es ihr um etwas anderes als um Gewinn. Das Argument von Vorstand Anton Hoefter, das Wohnbauprojekt diene einer "sinnvollen Entwicklung" des Bäderviertels, klingt fast schon höhnisch.

Dabei gäbe es Wege zu einem gemeinsamen Zieleinlauf: Das Landratsamt sucht ernsthaft mit der Stadt nach einem Container-Standort, die Stadt und die Jod AG eruieren, wie sich Tourismus und Geschäftsinteressen in einem Neubau auf dem Jodquellenhof-Grundstück vereinbaren lassen - vielleicht mit ein paar attraktiven Läden im Erdgeschoss. Solange alle Parteien aber bloß auf ihr Ziel schauen, wird das Sackhüpfen ein unwürdiges Schauspiel bleiben.

© SZ vom 04.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: