Kommentar:El Dorado der Bauträger

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Gefragt sind Mut, Kreativität und Stringenz für neue Wohnformen, damit sich auch Normalverdiener die Miete überhaupt noch leisten können

Von Klaus Schieder

Falko Wiesenhütter war auch da. Der Tölzer Citymanager hatte sich beim Info-Abend der Grünen über soziale Bodenpolitik still nach hinten gesetzt. Zu Wort melden wollte er sich eigentlich nicht. Aber dann stand er, mehrmals darum gebeten, doch auf und gab eine Zahl bekannt, die das ganze Dilemma des Wohnungsmarktes aufzeigt: Lediglich rund 37 000 Euro betrage das Durchschnittseinkommen der Tölzer im Jahr. Gut elf Euro kostet jedoch laut Mietspiegel die Kaltmiete pro Quadratmeter, ein Quadratmeter Baugrund fast 900 Euro. Diese Diskrepanz ist erschreckend.

Bad Tölz ist - wie andere Kommunen im Dunstkreis von München - seit Langem schon ein Dorado für Bauträger und Makler, für Betuchte aus dem Speckgürtel oder sonst woher, die mit ihrem vielen Geld nichts Sozialverträglicheres anzufangen wissen, als eine Immobilie der Rendite wegen zu kaufen. Dafür gibt es etliche Beispiele vor allem im Kurviertel, wo solche Investorenmodelle die Mietpreise enorm in die Höhe getrieben haben. Und die Stadt? Sie hat vor dieser Fehlentwicklung die Augen verschlossen. Schließlich hatte sie ja in den Neunzigerjahren ein paar Wohnblöcke im Lettenholz für die ärmere Bevölkerungsschicht gekauft und bis vor Kurzem geglaubt, das reiche dann schon. Inzwischen können sich aber auch Leute aus der Mittelschicht - die Polizisten, die Krankenschwestern, die Altenpfleger, die mittleren Beamten - kaum noch eine Zweizimmerwohnung in Tölz leisten. Bei einer Warmmiete von oft 1000 Euro.

Umso wichtiger ist es, dass die sinnvollen Ziele, die in der Arbeitsgruppe Wohnen entworfen wurden, künftig auch umgesetzt werden. Dabei sollte sich die öffentliche Debatte nicht am hochumstrittenen Hotelprojekt Bichler Hof verhaken. Und auch nicht bloß um die Frage kreisen, wie sich junge Familien ein Häuschen kaufen können. Die meisten Leute mit einem Durchschnittsverdienst leben in Bad Tölz zur Miete, sie werden sich in ihrem ganzen Leben weder eine Eigentumswohnung noch ein Haus leisten können. Eine günstige Wohnanlage, wie die Stadt sie - lobenswerterweise! - an der Osterleite errichtet, reicht sicher nicht aus, um die Situation auf dem Mietmarkt auch nur ein wenig zu entspannen. Gefragt sind vielmehr Mut, Kreativität und Stringenz für neue Wohnformen, gefragt sind andere Besitzer wie etwa soziale Genossenschaften. Dann hätten auch Leute mit 37 000 Euro Jahreseinkommen mal eine kleine statt gar keine Chance auf dem Tölzer Wohnungsmarkt.

© SZ vom 15.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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