Kommentar:Ein hohes Risiko für die Kurstadt

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Bad Tölz hat im Vergleich zu den 27 anderen Kommunen in Bayern mit dem "Bad" im Namen seine Stärken. Das aber ist noch keine Erfolgsgarantie.

Von Klaus Schieder

Früher war alles einfach: Ein Kurort musste sich nicht eifrig um Gäste bemühen, sie wurden ihm von den Krankenkassen geschickt. Das hat sich mit der Seehofer'schen Gesundheitsreform vor 20 Jahren radikal geändert. Nach einer langen Schockphase haben sich die Heilbäder seit einiger Zeit der Tatsache gestellt, dass sie sich selbst um ihre Klientel bemühen müssen. Mittlerweile marschieren fast alle in die selbe Richtung: Im Fokus haben sie den Gast, der als Urlauber zugleich etwas für seine Gesundheit tun möchte und alles selbst bezahlt. Dementsprechend groß ist die Konkurrenz für Bad Tölz, das sich die Laufschuhe der "Neuen Tölzer Hotelkultur" angezogen hat. Ob dieses Konzept die Kurstadt im harten Wettbewerb nach vorne trägt, steht noch völlig in den Sternen.

Nicht alleine deshalb, weil in Bayern alleine 27 Kommunen das "Bad" im Namen tragen - einige wie Bad Wiessee, Bad Aibling oder Bad Wörishofen befinden sich gleich in der Nähe. Im Vergleich hat Tölz durchaus seine Stärken: die pittoreske Marktstraße, das Freizeitangebot in den Bergen und an den Seen, die Nähe zu München. Dennoch geht die Stadt mit dem Hotelkultur-Konzept ein hohes Risiko ein, auch finanziell. Niemand kann vorhersagen, ob das zehn Millionen Euro teure Spa "Natura Tölz" mit seiner sportkinesiologischen Philosophie wirklich so viele Gäste anlockt, dass sich der Betrieb halbwegs rentiert. Ob die beiden Sterne-Hotels der Firma Arcus so gut belegt sind, dass auch andere Investoren solche Häuser im Kurviertel bauen wollen, wahlweise Seminargebäude oder Kliniken.

Baurechtlich hat die Stadt den Weg dafür geebnet, indem sie elf Hektar nun eigens dafür festlegte. Aber es gibt ein Problem: Viele Flächen gehören dort Privateigentümern, darunter der Jod AG. Die würden lieber Wohnhäuser errichten und schnell Geld verdienen. Schlimmstenfalls könnte Bad Tölz zu einem zweiten Bad Heilbrunn werden: Die Grundbesitzer dürfen nicht, was sie wollen, und machen nichts, die Stadt kann dagegen nichts tun - die Folge wäre jahrelanger Stillstand. Es sei denn, die Stadt kaufte die Areale für exorbitante Summen.

Trotz dieser Gefahr bleibt Tölz nichts anderes übrig, als die Hotelkultur-Schuhe anzubehalten und darauf zu vertrauen, darin schon über die Ziellinie zu kommen. Die einzige Alternative wäre, sie wieder auszuziehen und das Bäderviertel in ein Wohngebiet zu verwandeln. Aber wer käme dann noch? Nur Ausflügler, die nicht übernachten. Als Kurstadt bliebe Bad Tölz auf der Strecke.

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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