Jugendschutz:"Ist es uns das wert?"

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Kreisjugendamtsleiter Ulrich Reiner befürwortet Führungszeugnisse für Ehrenamtliche zur Prävention vor sexueller Gewalt.

Felicitas Amler

Eines steht wohl fest: "Es ist ein Riesenthema." Ulrich Reiner, Leiter des Kreisjugendamts, weiß genau, welchen Sprengstoff die aktuell diskutierten Jugendschutzaufgaben bergen. In der Bürgermeister-Dienstbesprechung am Dienstag, in der Reiner sie vorstellte, reagierte Landrat Josef Niedermaier mit einer Mischung aus Empörung und Ratlosigkeit. Das Sozialgesetzbuch VIII schreibt vor, dass Jugendämter mit den Trägern der freien Jugendarbeit Vereinbarungen schließen, die der Prävention vor sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche dienen sollen. Konkret sollen Vereine verpflichtet werden, allen Mitarbeitern und Ehrenamtlichen, die mit Kindern und Jugendlichen in Kontakt kommen, Führungszeugnisse abzuverlangen. Falls daraus hervorgeht, dass jemand einschlägig vorbestraft ist, wird derjenige von der Jugendarbeit ausgeschlossen. Wer unter diesen Bedingungen wohl noch Verantwortung in einem Verein übernehmen werde, fragte der Landrat. Und äußerte sich kritisch über allzu prompte Forderungen nach Reaktionen und Maßnahmen. Dass über ein Problem in Ruhe nachgedacht werde, "das duldet die Gesellschaft nicht".

Jugendamtschef Reiner sagt, er habe anfangs auch "richtig rebelliert", doch je länger er sich mit dem Thema beschäftige, umso mehr habe er das Gefühl, hier könne ein sinnvolles "Frühwarnsystem" geschaffen werden. Und Reiner hat sich tatsächlich schon lange damit befasst, denn das Gesetz wurde bereits vor einem Jahr verabschiedet. Seitdem wird in allen möglichen Fachstellen an konkreten Ausführungsrichtlinien gearbeitet. "Da glühen die Köpfe", sagt Reiner. Alle Jugendämter warteten gebannt auf die Mustervereinbarung, die nun das Landesjugendamt angekündigt habe.

Reiner bezieht sich in seiner Argumentation pro Führungszeugnisse immer wieder auf einen Bericht, in dem der Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft an der Charité in Berlin, Klaus Michael Beier, zitiert wird. Demnach könne ein Prozent der männlichen Bevölkerung pädophile Neigungen haben, berichtet Reiner. Er zeigt sich davon beeindruckt, rechnet "holzschnittartig", wie er selbst sagt, hoch und kommt für den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen auf eine Zahl von etwa 300 Männern. Vor diesem Hintergrund sehe er sich in der Verantwortung, "eine gewisse Sensibilität" für die Bedrohung und Verletzlichkeit von Kindern zu schaffen.

Da die Mitarbeiter von Jugendämtern bereits vor einem Jahr Führungszeugnisse vorlegen mussten, weiß Reiner aus Erfahrung: "Man fühlt sich komisch." Dennoch erscheint ihm dieses Prozedere auch für Ehrenamtliche angemessen. Reiner sagt, die Frage sei doch: Wenn man so wenigstens einen sexuellen Missbrauch verhindern könnte - "ist es uns das wert?"

© SZ vom 07.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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