Glosse:Das Geheimnis von LoisNess

Wer ein Ungeheuer entdecken will, muss nicht unbedingt nach Schottland fahren

Von Cornelius Zange

Wenn es, wie in den letzten Tagen, ergiebig regnet und sich die Loisach in einen milchschokoladenbraunen Strom verwandelt, fühlen sich die Flussmonster besonders wohl in ihrem Gewässer. So kann es von Zeit zu Zeit vorkommen, dass sie sich zeigen. Mancher Wolfratshauser, der während seiner Mittagspause auf dem Sebastiani-Steg steht und verträumt aufs Wasser schaut, kann mit etwas Glück eine der mystischen Kreaturen beobachten. Mal taucht hier eine Flosse auf, mal dort eine Schnauze mit zackigen Zähnen.

"Aber Moment mal!" Man erschrickt direkt, wenn einem langsam bewusst wird, welch kolossale Entdeckung man soeben gemacht hat. Jährlich reisen Tausende Bewunderer von Nessie nach Schottland an den Loch Ness. Wäre das nicht vielleicht auch die ultimative Chance, Touristenscharen nach Wolfratshausen zu locken? Anderseits: Will man das eigentlich? Menschenmassen am Flussufer, während man eigentlich nur ein Eis auf der Bank essen will und Souvenirshops in der Marktstraße, obwohl man dort viel lieber eine Brotzeit kaufen möchte? Wohl eher nicht. Deshalb behalten die Träumer, die im Regen auf den Fluss starren, die Sensation für sich. Oder setzen beim nächsten Mal wieder die Brille auf. Denn dann werden aus den Flussmonstern wieder Baumstämme und Äste, die vom Hochwasser mitgerissen wurden.

© SZ vom 26.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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