Freie Lehrstellen:Zarte Pflänzchen

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Auch drei Wochen nach Beginn des Ausbildungsjahres sind immer noch viele Stellen nicht besetzt. Mittlerweile hat der Bewerbermangel auch die spezialisierten Berufe erfasst. Diese Chefs suchen noch Azubis

Von Lea Utz, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die Konjunktur in der Region brummt - doch die Bewerberzahlen in Ausbildungsberufen sinken: Mehr als drei Wochen nach dem Beginn des Ausbildungsjahres sind immer noch viele Betriebe im Landkreis und in Penzberg auf der Suche nach einem Auszubildenden. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) meldete kurz vor dem 1. September eine Rekordzahl von 296 freien Lehrstellen allein für die bei ihr gemeldeten Unternehmen - so viele wie noch nie zuvor. Der Lehrlingsmangel betrifft mittlerweile nicht mehr nur Bereiche, die wie die Lebensmittelbranche oder der Verkauf traditionell viele Stellen zu besetzen haben. Selbst in den spezialisierten Nischenberufen, für die sich lange genügend interessierte Jugendliche fanden, sind immer noch viele tolle Ausbildungsplätze frei. Eine kleine Auswahl aus dem Landkreis - von Feinmechaniker über Hörakustiker bis Ziergärtner.

Die mit dem grünen Daumen

Aussähen, düngen, topfen - Gärtnermeister Jürgen Kling lehrt in Bad Heilbrunn das klassische Gärtner-Handwerk von der Pike auf. Darüber hinaus werden Auszubildende im Ziergartenbau auch kreativ: Sie gestalten die Bepflanzung von Wohnräumen und Außenbereichen, von Gräbern und Hotelanlagen. In diesem Jahr hat Kling zum ersten Mal keinen Auszubildenden für eine Lehrstelle in seiner Gärtnerei "Garten Holzmann" gefunden. Die sinkenden Bewerberzahlen in Ausbildungsberufen beobachtet er mit Sorge: "Die meisten Eltern glauben, dass nur der Weg über eine höhere Schule Glück bedeuten kann." Dabei seien viele junge Menschen in Ausbildungsberufen besser aufgehoben. Von seinen Auszubildenden erwarte er neben einem grünen Daumen vor allem, dass sie Einsatzbereitschaft zeigen - und Spaß an der Arbeit.

Für ein strahlendes Lächeln

Zahnmedizinische Fachangestellte sind in der Praxis für alles zuständig, sagt Zahnarzt Alexander Glockmann aus Benediktbeuern. Sie betreuen Patienten, organisieren Termine und assistieren bei Untersuchungen. Trotz dieses abwechslungsreichen Arbeitsalltags sei die Bewerberlage in den vergangenen Jahren durchwachsen gewesen, "sowohl was die Anzahl als auch was die Qualität der Bewerbungen angeht". In diesem Jahr sei es besonders schwierig. Viele junge Menschen setzten sich zu wenig mit ihrem Berufsleben auseinander - "hier müssten vielleicht noch zusätzliche Praktikumsmöglichkeiten geschaffen werden."

Hören und Spüren

Einerseits ist da das Ohr - und andererseits der Mensch. "In kaum einem anderen Ausbildungsberuf ist spezifisches Fachwissen so eng mit sozialen Kompetenzen verwoben wie im Beruf des Hörakustikers", schwärmt Filialleiterin Simone Helbig von Hörgeräte Seifert in Penzberg. Auszubildende lernen nicht nur alles über das Ohr, die Akustik und die Hörgerätetechnik, sondern müssen sich auch in die Situation des Kunden hineinversetzen können. Weil man dafür vor allem Erfahrung braucht, werden Lehrlinge von Anfang an in alle wichtigen Arbeitsschritte mit eingebunden - "so etwas wie ,Der Azubi geht Kaffee kochen' gibt es bei uns nicht", sagt Helbig. Der Beruf des Hörakustikers sei zwar inzwischen bekannter als früher. Doch weil die Branche stetig wachse, erhöhe sich auch der Bedarf an Auszubildenden.

Feines aus Stahl

Weniger mit Menschen, aber umso besser mit Maschinen müssen Auszubildende zurechtkommen, die das Handwerk des Feinwerkmechanikers erlernen. Im mittelständischen Betrieb von Georg Pichler in Lenggries stellen sie größtenteils aus Stahl Einzel- und Sonderteile für verschiedene Unternehmen her. Ein anspruchsvoller Job, weiß Pichler: "Das ist keine Fließbandarbeit, da muss man sich erst reindenken."Auch in der Maschinenbau-Branche macht sich das schwindende Interesse an Ausbildungsberufen bemerkbar: "Das ist ein schleichender Prozess, der sich in den letzten Jahren eher noch verstärkt hat", sagt Pichler. Dabei sei der Beruf nicht nur abwechslungsreich, sondern auch relativ "krisensicher". Bewerber sollten ein Interesse an Technik mitbringen und gute Fähigkeiten im Rechnen.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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