Es grünt so grün:Bäume mit Geschichte

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Wenn alter Bestand weichen soll, um Neubauten Platz zu machen, empören sich die Menschen nicht selten zu Recht. Auf den Spuren der Luitpold-Linde, Pausinger-Eiche, Gartenstadt-Allee und Tirpitz-Buche

Von Susanne Hauck, Icking/Schäftlarn

Der 12. März 1911 war nicht irgendein Sonntag. Der 90. Geburtstag des allseits geschätzten Prinzregenten Luitpold mit seinem altväterlichen weißen Bart war ein großer Festtag im Königreich Bayern, einer der letzten in der "guten alten Zeit", wie die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg im Gedächtnis sind. Landauf, landab kamen an diesem Tag die Menschen dem patriotisch gefärbten Aufruf nach, Lindenbäume oder Eichen zu pflanzen, um für die nächsten Jahrzehnte die Erinnerung an diese seltene Feier festzuhalten.

Luitpold-Linden

Eine hundertjährige Luitpold-Linde gibt es auch in Dorfen auf dem Kieberg. Dass sie am Geburtstag des Prinzregenten von Schulkindern eingesetzt wurde, verrät das Heimatbuch des Orts. Ihr Stamm mit mehr als zwei Metern Umfang steht neben einem noch eindrucksvolleren Baum, einer riesigen Winterlinde, die mit ihren fünf Metern Umfang auf ein Alter von etwa 300 Jahren schließen lässt.

Auch in Icking sind Luitpold-Linden zu finden, und zwar vor der alten Kirche unterhalb der B 11. Warum gleich zwei gepflanzt wurden, darüber kann Wilfriede Preuss nur spekulieren. "Vielleicht eine zum Geburtstag und eine zum Thronjubiläum des Prinzregenten", rätselt Preuss. Die langjährige Vorsitzende des örtlichen Bund Naturschutz hat 2006 zur 1200-Jahr-Feier zusammen mit Schulkindern eine junge dritte Linde dazu gesetzt.

Bäume prägen das Bild eines Ortes. Dorflinden waren früher ein geselliger Treffpunkt, sie stehen in der Nähe von Gasthäusern und Kirchen, wie die Linden an der alten katholischen Kirche in Icking zeigen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Bäume prägen das Bild eines Ortes entscheidend. Linden und Eichen können mehrere hundert Jahre alt werden, ihre Baumkrone ist riesig, ihr Stamm mächtig. Dorflinden waren früher geselliger Treffpunkt: schon in Goethes "Faust" tanzte das Volk "wie toll" um die Linde. Im Mittelalter wurde unter den "Gerichtslinden" Urteile gesprochen und heute noch erinnern viele Gasthäuser unter dem Namen "Zur Linde" an die kulturelle Bedeutung.

Pausinger-Eiche

Eichen gelten als majestätisch, wie die Pausinger Eiche. (Foto: Hartmut Pöstges)

Diese majestätischen Baumveteranen berühren die Herzen der Menschen. Umso mehr bewegt, ja empört es die Bürger, wenn sie weichen sollen, um Neubauten Platz zu machen. In Icking kochten die Emotionen in diesem Frühjahr wegen der vielen Fällungen hoch. Mit Erleichterung reagierten die Leute darauf, dass immerhin die knorrige "Pausinger-Eiche" überleben durfte, auch wenn das Baurecht auf dem romantisch zugewachsenen Grundstück zwischen Wenzberg und Ludwig-Dürr-Straße hergab, dass der restliche Bestand gefällt werden durfte.

Die nach dem früheren Eigentümer benannte Eiche steht am Spitz des seit den Sechziger Jahren von einem Mäuerchen umgebenen Gartens. Schon vor etwa hundert Jahren wurde sie respektvoll als betagt bezeichnet, wie ein Wanderführer aus dem Jahr 1924 beweist. "Vorbei an einer mächtigen Eiche" wird der unkundige Wanderer durch die Ickinger Flur gelotst, ein Feldweg führte durch eine Idylle mit noch völlig unbebauten Wiesen. "Sie war ein markanter Punkt und diente daher als Wegweiser", erläutert der Ickinger Gemeindearchivar und Zweite Bürgermeister Peter Schweiger. "Denn es war recht schwierig, sich zurechtzufinden, die Straßennamen wurden erst 1956 eingeführt."

Die Pausinger-Eiche war der einzige alte Baum weit und breit, wie eine nostalgische Postkarte aus seiner Sammlung beweist. Ein beliebter Aussichtspunkt, unter ihr konnte man auf einem Bänkchen sitzen und über die Wiesen hinunter bis auf die Bullrich-Villa und aufs Isartal blicken. Gar nicht mehr vorstellbar ist das.

Ahorn-Allee bei Holzen

Ahornbäume wurden gerne als Alleen gesetzt, wie die Ahorn-Allee bei Holzen. (Foto: Hartmut Pöstges)

Die Ahornallee bei Holzen steht unter der Beobachtung von Erich Rühmer, der ihre "historische Bedeutung" hervorhebt. Die Allee findet man, wenn man von Icking kommend rechts in den Feldweg zwischen Holzen und Ebenhausen einbiegt und ein paar hundert Meter weitergeht. Einige der Baumreihen sind immer noch stattlich, andere stark gelichtet. "Sie sind aus Altersschwäche umgefallen, jetzt ragen nur noch die abgebrochenen Stümpfe empor", bedauert Rühmer den Zustand, der seiner Meinung nach mit mehr Pflege hätte verhindert werden können.

"Sicher über 100 Bäume wurden hier um die Jahrhundertwende gepflanzt", erzählt Rühmer und deutet weit über die Felder. Die Alleen waren Teil des Masterplans für die Gartenstadt Ebenhausen. Rühmer hat ein Buch über die Geschichte des Orts mitgebracht, in dem ein Originalplan von 1905 abgebildet ist. Wäre die Vision des Unternehmers Jakob Heilmann wahrgeworden, wäre Ebenhausen heute eine über und über bewaldete Villenkolonie mit verschlungenen Wegen, mit Tennisplätzen und Parkhotel. Noch bevor das erste Haus gebaut war, ließ Heilmann die Alleen anlegen. Ein schläfriger Behördenapparat und dann der Erste Weltkrieg unterbrachen sein Vorhaben, das später nicht mehr aufgenommen wurde.

Exotische Araukarie

Zu den Geschichten, die in Icking kolportiert werden, gehört, dass in der Kirchenleite ein äußerst seltener Baum von mindestens 100 Jahren zu finden sei. Schon vielen Spaziergängern ist die exotische Araukarie aufgefallen, die wegen ihrer Herkunft auch Chile-Tanne heißt und mit ihren spiraligen Ästen völlig aus dem Rahmen fällt. Wie ist sie hierhergekommen, hat sie gar ein Ickinger Abenteurer der Jahrhundertwende aus Südamerika mit dem Überseedampfer mitgebracht? Eine Nachfrage beim Eigentümer macht dem Kopf-Kino schnell ein Ende. Die Araukarie ist nur halb so alt, wie sie aussieht, und wurde 1962 auf einer Italienreise als kleiner Setzling ausgegraben und als Souvenir mit nach Hause genommen.

Tirpitz-Buche

Auch eine geheimnisvolle Tirpitz-Buche soll es in der Gemeinde geben. Anfang der Siebziger Jahre entdeckten die Kinder von Wilfriede Preuss beim Spielen am Schäftlarner Weg eine alte Buche mit dem eingeritzten Namen "Tirpitz". Alfred von Tirpitz war bekanntlich ein Großadmiral im Kaiserreich, gegen Ende seines Lebens ließ er sich mehrmals im Sanatorium Ebenhausen behandeln, wo er 1930 starb. Die Nachfahren siedelten sich in Irschenhausen an.

"Ich hatte ein kleines Taschenmesser und habe meinen Namen W.H.v.Tirpitz in eine junge Buche geschnitzt", bestätigt Enkel Wolf-Henning von Tirpitz auf Nachfrage und erinnert sich, nach dem Zweiten Weltkrieg als Kind viel in den Wäldern gespielt zu haben. Er glaubt, dass besagter Baum um das Jahr 2000 herum geschlagen wurde. Wilfriede Preuss weiß aber, dass er noch steht. Im Dickicht rund um den Waldkindergarten ragt eine markante Buche empor, an ihrem glatten Stamm befindet sich die Inschrift, die allerdings nach mehr als 70 Jahren fast bis zur Unkenntlichkeit verwittert ist.

© SZ vom 09.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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