Kommentar:Mit Elan und Überschwang

Der Auftritt des CSU-Ehrenvorsitzenden Edmund Stoiber in Bad Tölz war "Leidenschaft pur". Ein Lehrstück für andere Politiker

Von Klaus Schieder

Einmal musste Edmund Stoiber seine Festrede beim Neujahrsempfang der CSU in Bad Tölz kurz unterbrechen. Ein Zuhörer, der ganz vorne saß, hatte sich darüber beschwert, dass Stoiber zu laut sei und das Mikrofon an seinem Revers zu viel Nachhall produziere. Im Grund genommen hätte der ehemalige Ministerpräsident im kleinen Saal das Gasthofs Kolberbräu gar keine Lautsprecheranlage gebraucht, er wäre auch so überall gut zu verstehen gewesen. Stoiber, sagte CSU-Ortsvorsitzender Ingo Mehner hernach, sei eben immer noch "Leidenschaft pur".

Das war in der Tat das Bemerkenswerte am Auftritt des CSU-Ehrenvorsitzenden. Solche Verve würde man sich von seinen christsozialen Nachfolgern und überhaupt in der Bundespolitik häufiger wünschen, wo Statements nicht bloß ohne Statement, sondern oftmals lustlos vor den Kameras heruntergedroschen werden. Inhaltlich bot Stoiber nichts Neues, auch nichts Überraschendes. Was er zu Flüchtlingskrise, Europa, SPD, AfD, Digitalisierung oder Wohnungsnot sagte, hatte man so oder ganz ähnlich schon von anderen CSU-Granden gehört, von Seehofer bis Söder, von Dobrindt bis Scheuer. Und ganz in seiner gewohnten Manier geriet die Rede auch einmal mehr zu einem Parforceritt über Stock und Stöckchen, wobei die Neben- und Seitenpfade nicht immer zum Hauptweg zurückführten. Aber das christsoziale Publikum focht das nicht an. Da stand nun mal einer, der alles mit Elan, gar Überschwang sagte oder geradezu schrie. Das reichte für donnernden Applaus. Für einen Moment wurde der kleine Saal fast zum Bierzelt.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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