Beschäftigung:Ein Arbeitsamt für Flüchtlinge

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Um die schwierige rechtliche Situation bei der Vermittlung von Asylsuchenden an Betriebe zu verbessern, schlägt IHK-Chef Krämmel eine "Schnittstelle" vor

Von Barbara Briessmann, Bad Tölz-Wolfratshausen

Arbeit und Asylbewerber: Es fehlen Fachkräfte, Unternehmen suchen händeringend nach Nachwuchs im Oberland. Die Zahl der Flüchtlinge im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen steigt an. Viele von ihnen sind gut ausgebildet, andere wollen unbedingt einen Beruf erlernen. Dennoch gibt es ein Dilemma, das Unternehmer wie Betreuer von Asylbewerbern in einem Satz zusammenfassen: "Es ist ein rechtliches, ein politisches Problem." Außerdem ein oft recht umständliches Verfahren, bis ein Betrieb zum passenden Mitarbeiter kommt. Deswegen fordert Reinhold Krämmel, Vorsitzender der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach, "eine Schnittstelle", eine Art Flüchtlingsarbeitsamt.

So lange sie nicht anerkannt sind, dürfen Asylsuchende in Deutschland nicht arbeiten. Es kann Jahre dauern, Jahre, in denen diese Menschen zum Nichtstun verdammt sind. "Da werden Ressourcen verschwendet", sagt Waltraud Haase von Asylplus in Bad Tölz. Der Verein versucht, den Flüchtlingen Deutsch, die lateinische Schrift und die Grundzüge der Mathematik beizubringen. Das geht alles am Computer vonstatten. "Sie sollen lernen, selbständig zu lernen", sagt Haase. Das ginge wunderbar mit vielen Angeboten im Internet. Allerdings nutzten diese Kenntnisse den meisten in ihren Heimatländern, in die sie in ein paar Jahren vielleicht wieder zurück müssen, wenig. "Sie brauchen eine praktische Ausbildung, einen Beruf."

Die Betriebe im Oberland würden Lehrstellen durchaus gern mit Flüchtlingen besetzen. Schließlich finden sie nicht mehr genügend Bewerber auf die ausgeschriebenen Ausbildungsplätze. "Das Interesse ist sehr groß", weiß IHK-Chef Krämmel. Der Fachkräftemangel sei sonst kaum mehr aufzuhalten, "er ist schon jetzt gravierend". Der Bauunternehmer aus Wolfratshausen und seine Kollegen aus Industrie und Handwerk überlegen intensiv, "wie man das anstellen kann". Neben den rechtlichen Stolpersteinen geht es ganz konkret um die Umsetzung. "Die Organisation einer Schnittstelle" sei eine Voraussetzung. Zwischen den Übergangseinrichtungen für Flüchtlinge und den Betrieben müsse es eine vermittelnde Instanz geben, meint Krämmel.

Mit der Vermittlung von Asylbewerbern ist Waltraud Haase tagtäglich beschäftigt. "Ich schreibe ständig Bewerbungen." Wie für Jonas aus Äthiopien, der nun Bäcker lernt, da dieses Handwerk sonst kaum mehr Auszubildende findet. "Jonas ist eigentlich viel zu intelligent für den Job, aber wenigstens hat er danach einen Beruf." Am Herzen liegt Haase auch ein junger Massai, der nie eine Schule von innen gesehen hat. Allerdings sei er mit Tieren aufgewachsen, "könnte vielleicht auf einem Bio-Bauernhof lernen und den Landwirten dabei Dinge über die Tiere sagen, die wir längst schon vergessen haben". Das sei doch ein Mehrwert für beide Seiten, findet Haase.

"Schwierig" sieht Josef Pascher, Inhaber eines Reifendienstes in Bad Tölz, die Lage. Bei ihm macht der 18-jährige Ahmad Praktikum, wenn er nicht zur Schule muss. Er blüht in diesem Job sichtlich auf. Der junge Mann aus Afghanistan war vorher noch nie in seinem Leben verwurzelt, schon als Sechsjähriger auf der Flucht. Pascher und andere Handwerkskollegen würden sich durchaus überlegen, Flüchtlinge auszubilden, "wenn diese Rennerei von Amt zu Amt nicht wäre". Das sei alles zu verworren.

Unsicher ist noch das Schicksal von Solum Hemed. Der 43-Jährige kam 2007 mit seiner Frau und seiner Tochter nach Deutschland, beantragte Asyl, weil er in seiner Heimat Tansania verfolgt wurde, dort als politischer Gefangener inhaftiert war. Auf Sansibar hatte er zuvor als Busfahrer gearbeitet. Jetzt hat er wieder eine Beschäftigung im Bundesfreiwilligendienst. Im Alten- und Pflegeheim Josefistift in Bad Tölz hilft er, wo Not am Mann ist. Inzwischen spricht er schon gut deutsch, "aber er lernt täglich weiter, um noch besser zu werden", sagt Waltraud Haase, die ihn im Alten- und Pflegeheim untergebracht hat.

Hemed möchte hier bleiben, sich eine Existenz aufbauen. "Er bemüht sich ehrlich und redlich", so Haase, seine Tochter geht auf die Realschule. "Die Familie könnte ihren Lebensunterhalt selbst verdienen", prognostiziert die Flüchtlingshelferin. Doch die Aussichten sind nicht rosig. Das Asylverfahren laufe noch, aber Tansania wird als sicheres Herkunftsland eingestuft.

Bessere Prognosen hat ein Ghanaer, den die Heizungs- und Sanitärfirma Haas in Bad Tölz angestellt hat. Noch wird der Mann, der mit seiner Frau und dem gemeinsamen Baby gekommen ist, von Helfern in die Arbeit begleitet, bis er in der Sprache ganz sicher ist. "Ich bewundere die Betriebe", sagt Haase, "welche Geduld sie im Umgang mit den Flüchtlingen aufbringen."

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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