Ausbildungsmarkt:Leerstellen aus Azubi-Mangel

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Die Zahl der neuen Ausbildungsverträge im Landkreis ist 2014 das dritte Jahr in Folge gesunken. IHK-Vertreter Reinhold Krämmel fordert ein gesellschaftliches Umdenken und die Abkehr vom "Akademisierungswahn".

Von Deborah Berger, Bad Tölz-Wolfratshausen

Vielen Unternehmen im Landkreis gehen die Azubis aus. 2014 haben Betriebe aus Industrie, Handel und Dienstleistung bis zum Jahresende 317 Auszubildende neu eingestellt, das ist ein Prozent weniger als noch 2013. Damit ist die Zahl der Neu-Verträge ein drittes Mal in Folge gesunken, wie aus der aktuellen Ausbildungsstatistik der IHK für München und Oberbayern hervorgeht. Das liege weniger an den Betrieben, als vielmehr an einem Mangel an Azubis.

"Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ist ungebrochen", berichtet Reinhold Krämmel, Vorsitzender des IHK-Gremiums für Bad Tölz-Wolfratshausen und Miesbach. Der Azubi-Mangel ist mit einem Minus von 35 Prozent in der Gastronomie und Hotellerie besonders groß. Janina Hasslauer arbeitet als Rezeptionistin im Posthotel Hofherr in Königsdorf und hat selbst die Ausbildung zur Hotelfachfrau gemacht. "Ich denke, dass vor allem die Arbeitszeiten eine Rolle spielen. Im Hotel haben wir Schichtdienst. Die Frühschicht beginnt um 5.30 Uhr, der Spätdienst geht bis 22 Uhr. Bei Feiern oder sonstigen Veranstaltungen kann es schon mal vorkommen, dass wir auch länger als bis 22 Uhr beschäftigt sind. Außerdem arbeiten wir auch am Wochenende, wenn alle anderen frei haben." Im Gegensatz zu vielen anderen Azubis, die am Anfang der Ausbildung noch sehr jung sind, hat sie ihre Ausbildung erst mit 18 Jahren begonnen. "Vielleicht spielt auch das Alter eine Rolle. Mit 15 Jahren hat der ein oder andere vielleicht keine Lust, auch dann zu arbeiten, wenn alle Freunde frei haben", erzählt Hasslauer.

In der Gastronomie und der Hotellerie ist die Zahl der Ausbildungsverträge in den vergangenen Jahren besonders stark zurückgegangen. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Neben der Gastronomie und Hotellerie, wurden auch im Einzelhandel und bei den Banken im vergangenen Jahr weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen. "Tendenziell gehen bei uns weniger Bewerbungen ein", berichtet Willi Streicher, Pressesprecher der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen. "Trotzdem haben wir genügend Bewerber und können unsere Ausbildungsplätze besetzen." Pro Ausbildungsjahr sind es zwölf Azubis und je nach Bedarfsplanung auch mal mehr, die von der Sparkasse ausgebildet werden. "Dafür tun wir aber auch einiges. Die Qualität der Ausbildung ist uns sehr wichtig." Um die Auszubildenden zu erreichen, sei die Sparkasse auf allen Azubi-Messen und schulischen Info-Tagen vertreten. Außerdem biete sie eine Schnupper-Lehre und für Schüler der Fachoberschule Berufspraktika an, um den Einstieg in die Ausbildung zu erleichtern.

Der Arbeitsagentur sind im Jahr 2014 landkreisweit 699 freie Ausbildungsplätze gemeldet worden. 200 Plätze blieben unbesetzt, während 69 Bewerber ohne einen Ausbildungsplatz ausgingen. Krämmel sieht in dieser Situation dringenden Handlungsbedarf. Erforderlich seien seiner Meinung nach ein gesellschaftliches Umdenken sowie die Abkehr vom vorherrschenden "Akademisierungswahn". Die duale Ausbildung muss müsse wieder als attraktive und echte Alternative zum Studium wahrgenommen werden, fordert der IHK-Gremiumsvorsitzende. Viele Bewerber unterschätzten immer noch die Karrierechancen nach einer betrieblichen Ausbildung und die Fortbildungsmöglichkeiten über Meisterkurse bis zum Hochschulstudium.

"Die Ausbildungsbereitschaft ist ungebrochen", sagt IHK-Sprecher Reinhold Krämmel. (Foto: Hartmut Pöstges)

"Viele Menschen besuchen lieber die FOS oder BOS und suchen den Weg ins Studium, anstatt einen Beruf zu erlernen", sagt auch Willi Streicher. Neben der zunehmenden Akademisierung sieht Streicher auch einen natürlich gegebenen Grund für die rückläufigen Zahlen der Ausbildungsverträge: "Das hat auch rein demografische Gründe. Die Abschlussjahrgänge werden zusehends kleiner, es gibt schlichtweg einfach immer weniger Azubis."

Auch auf Seiten der Betriebe müsste laut Krämmel die Ausbildung stärker in den Fokus rücken: Er empfiehlt allen Unternehmen, frühzeitig auf Schüler, auch auf solche mit weniger guten Noten, zuzugehen und neue Angebote wie Duales Studium und Teilzeitausbildungen einzuführen. Streicher sagt, er könne nur immer wieder betonen, wie wertvoll die Ausbildung für die Unternehmen ist. "Die innerbetrieblichen Strukturen müssen passen. Die Sparkasse hat an allen Einsatzorten einen geprüften Ausbilder, an den sich die Azubis jederzeit wenden können. Wenn wir die Ausbildung für unsere Azubis möglichst angenehm gestalten, kann sich das auch positiv auf die Zukunft auswirken." Denn wem die Ausbildung gefallen habe, teile diese Erfahrung sicherlich auch mit anderen. Man setzte da auch auf die Mundpropaganda unter den Auszubildenden.

Derzeit sind es im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen 254 IHK-zugehörige Unternehmen, die fast 60 Prozent aller Ausbildungsverhältnisse stellen.

© SZ vom 02.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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