Bad Tölz-Wolfratshausen:Landkreis braucht 16 neue Asyl-Sachbearbeiter

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Alle Angestellten arbeiten am Anschlag. Die Kosten liegen pro Stelle bei 50 000 Euro im Jahr. Die Prognose wird angehoben

Von Alexandra Vecchiato, Bad Tölz-Wolfratshausen

Am Ende der Sitzung des Kreisausschusses lässt Personalamtsleiter Jürgen Huber die Bombe platzen: Bis Jahresende muss das Landratsamt Bad Tölz-Wolfratshausen 16 zusätzliche Stellen für Asyl-Sachbearbeiter schaffen - und das allein im Bereich des Sozialamts. Eine Stelle könne durch interne Umstrukturierung geschaffen werden, 15 seien neu und nicht durch den aktuellen Stellenplan der Kreisbehörde gedeckt, sagte Huber. Pro Stelle rechnet der Kreiskämmerer mit 40 000 bis 50 000 Euro im Jahr. Mit einem weiteren Stellenzuwachs rechnet das Landratsamt für 2016.

"Erheblichste Überstunden" hätten die bislang mit dem Thema betrauten Mitarbeiter angehäuft, sagte Landrat Josef Niedermaier (FW). Die Grenze der Belastbarkeit sei erreicht. Er bat die Bürgermeister deshalb, ob nicht die Kommunen vorab die Grundstücke und Immobilien genauer prüfen könnten, die dem Landratsamt als potenzielle Standorte für Unterkünfte angeboten werden. Mehrere Hundert Objekte abzuarbeiten sprenge die Möglichkeiten seiner Mitarbeiter.

Liegenschaften seien der Kreisbehörde vermehrt angeboten worden, seit der Ankündigung, dass nun die Turnhallen als Unterkünfte herhalten müssten. "Wir haben etliches an Wohnungen zur Verfügung gestellt bekommen", sagte Niedermaier. Das habe zur Folge, dass die Turnhalle am Rainer-Maria-Rilke-Gymnasium in Icking nun ein paar Tage später als angekündigt belegt wird. 80 Flüchtlinge sollen in der Halle ein Obdach finden. In einer Einfachturnhalle können etwa 40 Asylbewerber untergebracht werden. Der Landkreis verfüge dank dieser vielen Angebote jetzt wieder über eine Reserve an Unterkünften, die bis 28. September ausreichen werde.

Bislang muss der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen pro Woche 37 Asylsuchende nach dem Verteilungsschlüssel für den Bezirk Oberbayern aufnehmen. Der Kreis habe seine Quote erst zu 91 Prozent erfüllt, was bedeute, dass noch einige Flüchtlinge aufgenommen werden müssten.

Bislang liegt die bundesweite Prognose für dieses Jahr offiziell bei 800 000 Flüchtlingen. Inoffiziell habe der Regierungspräsident von Oberbayern den Landräten beim Landkreistag in Pfaffenhofen mit auf den Weg gegeben, dass man mit 1,2 Millionen Menschen rechnen müsse, sagte Niedermaier. Was im Umkehrschluss bedeute, dass 60 bis 70 Flüchtlinge für den Landkreis pro Woche durchaus im Bereich des Möglichen seien. Das müsse auch den Bürgermeistern klar sein. Die vereinbarte Quote, wie viele Asylbewerber die insgesamt 21 Städte und Gemeinden im Landkreis aufnehmen müssten, sei selbstverständlich prozentual an der Gesamtzahl der ankommenden Flüchtlinge zu verstehen - und nicht als absolute Obergrenze. Muss der Kreis mehr Menschen aufnehmen, müssen die Kommunen auch mehr Asylsuchende unterbringen. Er sei sich nicht sicher, ob das bei allen Bürgermeistern, vor allem in den kleineren Orten, auch so angekommen sei, sagte Niedermaier.

Über die prozentuale Verteilung brauche nicht weiter diskutiert werden, gaben der Tölzer Bürgermeister Josef Janker und Michael Müller, Bürgermeister der Stadt Geretsried (beide CSU), dem Landrat recht. Die prozentuale Verteilung sei Beschlusslage und so in einer Bürgermeister-Dienstbesprechung von allen gutgeheißen worden. "Ich verstehe nicht, was so schwer daran sein soll, das zu verstehen", sagte Janker.

Was Michael Müller umtreibt, ist nach eigenem Bekunden ein "Schwanken in der Stimmung der Bevölkerung". Damit die überwiegend wohlwollende Stimmung nicht ins Negative umkippe, bedürfe es auch eines politischen Statements, sagte Müller. "Wir brauchen eine Gesamtstrategie auf politischer Ebene", forderte Müller. Die Bevölkerung mit ins Boot zu nehmen, sei Sinn und Zweck der Asyl-Informationsveranstaltungen in den Gemeinden, erwiderte Niedermaier. Dort habe man stets versucht, mit sachlichen Argumenten die Thematik den Bürgern näher zu bringen.

Der Kreisausschuss diskutierte zudem über die Schaffung der Stelle eines Netzwerkkoordinators. Der Kreis-Sozialausschuss hatte sich bereits dafür ausgesprochen (mit einer Gegenstimme). Die Aufgaben des Koordinators müssten klar definiert sein, sagte Janker. Er sehe, dass zwingend eine Person an Ort und Stelle anwesend sein müsse, die alle Helferkreise individuell unterstütze. In Bad Tölz gebe es 170 Ehrenamtliche, die etwa 250 Flüchtlinge betreuten. Deshalb habe sich die Kurstadt wie auch andere Kommunen im Landkreis entschlossen, selbst solche Koordinatoren einzustellen. Landrat Niedermaier begrüßte diese Initiative und verwies auf den Beschluss des Sozialausschusses, der die übrigen Gemeinden dazu anhält, mit Bad Tölz, Geretsried oder Wolfratshausen in diesem Bereich zusammenzuarbeiten. Auch der Kreisausschuss sprach sich für einen neuen Netzwerkkoordinator aus, der beim Verein "Hilfe von Mensch zu Mensch" angesiedelt werden soll. Martin Bachhuber und Werner Weindl (beide CSU) lehnten das mit der Begründung ab, dass der Landkreis in vorauseilendem Gehorsam eine Aufgabe übernimmt, für die eigentlich Freistaat und Bund zuständig seien.

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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