Bad Tölz-Wolfratshausen:"Große Liebe" mit brutalen Ausfällen

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Das Amtsgericht Wolfratshausen verurteilt einen jungen Mann wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr und vier Monaten Haft. Seine frühere Freundin leidet unter Angstzuständen

Von Benjamin Engel, Bad Tölz-Wolfratshausen

Eine junge Frau bleibt bei ihrem Freund - selbst als dieser sie brutal attackiert. Daran ändert zunächst nichts, dass er nach dem Angriff sogar gedroht haben soll, sie umzubringen. Erst nach einer weiteren Drohung trennt sie sich endgültig. Heute hat sie Angstzustände und traut sich kaum mehr aus ihrer Wohnung. Das Wolfratshauser Amtsgericht verurteilte den Mann am Montag zu einer Haftstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung, Sachbeschädigung und Beleidigung.

Ende Januar sind die zwei ein halbes Jahr lang ein Paar. Gestritten haben sie bereits öfter. Die 25-jährige Frau will sich von dem 23-jährigen Lackierer trennen. Der rastet in ihrer Wohnung aus, droht, sie umzubringen, geht ihr an die Gurgel, schleudert sie mit dem Kopf voran an die Wand. Er fügt ihr mit den Zähnen eine Wunde an der Nase zu. Die an Diabetes Erkrankte bleibt eine halbe Minute lang bewusstlos am Boden liegen. Dann kann sie aus der Wohnung flüchten.

Der junge Mann war bereits öfter wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung verurteilt worden. Im November 2013 war er aus der Haft entlassen worden.

Der Mann gab an, sich mit seiner Freundin öfter gestritten zu haben. Sie hätten beide Gras geraucht, worauf er habe verzichten wollen, sie aber nicht. Ende Januar sei er gemeinsam mit seiner Mutter in ihre Wohnung gekommen. Er räumte ein, die Frau am Hals gepackt und gegen die Wand geschubst zu haben. Mit den Zähnen sei er versehentlich an ihre Nase gekommen. Sie habe geblutet.

Doch damit nicht genug: Sie flüchtete aus der Wohnung und ließ sich von ihrem Vater ins Krankenhaus fahren. Nach der Behandlung wegen einer Gehirnerschütterung und der blutenden Wunde an der Nase fuhr sie zurück in die Wohnung. Sie fand ihr Insulinbesteck nicht. Das hatte ihr Freund versteckt. Als sie ihn anrief, verriet er, wo es war. Er beleidiget sie als "Schlampe". Ihr früherer Freund sagt, dass er ihr damit eine habe "reinwürgen wollen".

Später am Abend rief er sie an. Beide stritten sich. Ihr Vater saß neben ihr. Laut Anklage soll der Freund gebrüllt haben, er werde dem Vater "die Fresse eintreten". Der Angeklagte entgegnete, er habe nur gesagt, der Vater solle "die Fresse halten".

Drei Tage später begegnen Freund und Freundin einander zufällig an einem Lokal wieder. Ihr Hund läuft auf den jungen Mann zu, der nimmt ihn hoch. Laut Anklage soll er gedroht haben, sie und ihren Hund umzubringen, was der Angeklagte bestreitet.

Doch selbst nach alledem kamen sie wieder zusammen. Erst als der Mann sie nochmals telefonisch bedroht, ist es aus. Dafür hat ihn das Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 4800 Euro verurteilt.

Die frühere Freundin kam zitternd in den Gerichtssaal. Sie vermied jeden Blickkontakt mit dem Angeklagten. Ein Zeugenbeistand begleitete sie und hielt während der Aussage ihre Hand. Die 25-Jährige gab an, dass der junge Mann Ende Januar zuerst ihr Handy an die Wand geworfen habe. Nach der Attacke habe sie sich zu ihrer Freundin geflüchtet. Von dort habe sie sofort ihren Vater angerufen, um ihn zu informieren.

Die junge Frau fuhr fort. Als sie sich in dem Lokal begegnet seien, habe sie nur geschrien. Darauf habe ihr Freund sie angebrüllt, sie solle den Mund halten, sonst bringe er den Hund um. Sie begründete mit ihrer großen Liebe, dass sie sich nicht bereits Ende Januar endgültig von dem Mann getrennt habe. Dieser habe es erstmals geschafft, dass sie aus sich habe herausgehen können. Deshalb habe sie alles Negative ignoriert. Heute habe sie Angstzustände. Sie könne nicht einmal mehr aus ihrer Wohnung zum Einkaufen gehen, bestelle alles über Internet.

Der Angeklagte entschuldigte sich in der Gerichtsverhandlung. Die Staatsanwältin wertete dies positiv. Doch sie hielt ihm vor, aus seiner früheren Haftstrafe offenbar nichts gelernt zu haben. Sie forderte eine Haftstrafe von einem Jahr und fünf Monaten. Sein Anwalt trat für eine Bewährungsstrafe mit saftigen Auflagen ein. So könne der Mann noch auf einen "geraden Weg" finden. Doch Richter Helmut Berger blieb hart. Er verurteilte den Tölzer zu einem Jahr und vier Monaten Haft. Die Attacke auf sein Opfer hätte lebensbedrohlich enden können. Die Frau sei psychisch sichtlich mitgenommen.

© SZ vom 01.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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