Tanzende Gymnasiasten:Wie im Traum

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Der Sandmann kann viele Welten öffnen: Hier macht er die Träumer zu schillernden Tänzern. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Schüler des Gabriel-von-Seidl-Gymnasiums tanzen im Kurhaus die surreale Welt des Schlafs.

Von Thekla Krausseneck, Bad Tölz

Ein riesiges silbernes Tuch, von dahinter verborgenen Händen in die Höhe gehalten, verdeckt den Blick auf die Bühne des Kursaals in Bad Tölz. An einer Stelle senkt sich das Tuch um wenige Zentimeter, eine körperlose, weiße Maske blickt dahinter hervor, verschwindet wieder, erscheint an anderer Stelle erneut. Schaurig und seltsam vertraut. Was die Lehrerin und treibende Kraft Susanne Molendo und 130 Schüler des Gabriel-von-Seidl-Gymnasiums in ihrem neuen Tanztheater "Traumzeit" auf die Beine gestellt haben, ist im Wortsinne das, was das Thema verspricht: traumhaft.

Bei der Premiere am Dienstag fehlt es anfangs noch ein, zwei Tänze lang an Trittsicherheit, doch mit fortschreitendem Abend wird die Darbietung immer flüssiger, geschmeidiger und selbstbewusster. Inhaltlich orientiert sich das Theater an Hans-Christian Andersens Märchen "Der Sandmann". Dieser nimmt das Publikum - gut 150 Menschen sind zur Premiere gekommen - mit auf eine Reise durch die Welt der Träume: der guten wie der schlechten.

Der Sandmann, mal freundlich und verträumt, mal herrisch und kühl dargestellt, bittet in der zweistündigen Veranstaltung die fantastischsten Gestalten auf die Bühne. Schüler in Morphsuits, die den ganzen Körper, ja sogar das Gesicht bedecken, tanzen akrobatisch zu "Fallin' High" von Safri Duo oder elegant zu Haindlings "Königssee". In der Dunkelheit verschwindende Figuren schwingen im Schwarzlicht weiß glühende Pois. Junge Männer schlagen Saltos aus dem Stand oder tanzen in Jeans und roten Hemden einen coolen Swing, bis der Sandmann sie fortschickt.

In der surrealen Welt des Schlafs werden Schüler des Gabriel-von-Seidl-Gymnasiums zu energetischen Martial-Art-Kämpfern. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Wie lassen sich bei diesem Feuerwerk der Glanzlichter noch Akzente setzen? Mit einer Live-Videoprojektion zum Beispiel. Langsam sinkt eine die Bühne ausfüllende Leinwand herab, auf der eben diese Bühne zu sehen ist - nur um 90 Grad gekippt. Hinter der Leinwand steht die Kamera, welche die in blauen Ganzkörperanzügen steckenden Mädchen filmt. Die einen ziehen sich mit Saugglocken über den Boden, die anderen an einem Seil, manche turnen, strecken die Beine kerzengerade in die Höhe oder hüpfen wie Gummiraupen. Weil das Bild aber gekippt ist, sieht es für das Publikum ganz anders aus - nämlich als bewegten sich die blauen Gestalten mal mühsam, mal verspielt eine steile Wand auf und ab. Und weil das Licht so hell ist, erscheinen ihre Gesichter nur als weiße Flecken.

Doch was stellt der Sandmann mit Menschen an, die Schlimmes getan haben und sich die schönen Träume von ihm mit Geld zu erkaufen suchen? Über denen spannt er den grauen Schirm auf - und der Alptraum betritt die Bühne. Blutrote Säcke, mit ausgestreckten Armen weit über die Gesichter hinaus zu abweisenden Rechtecken hochgezogen, stehen unregelmäßig verteilt. Sobald ein Sack fällt, taucht eine rote Maske auf, die unpersönlich ins Publikum starrt. Zu "Running On The Edge" aus dem Repertoire des Cirque du Solei, von dem an diesem Abend einige Titel zu hören sind, setzt ein nervöser Tanz ein. Dem Schrecken zum Trotz ist es unmöglich, den Blick abzuwenden; das Gezeigte hat etwas Hypnotisches, etwas entfernt Vertrautes und doch Schauriges. Es zu sehen fühlt sich tatsächlich an wie zu träumen.

© SZ vom 05.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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