Baumaßnahme:Verjüngungskur fürs Kurviertel

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Bad Tölz will den Stadtteil durch kleinere Wohnungen für Familien erschwinglicher machen. Räte zweifeln, dass das reicht

Von Suse Bucher-Pinell, Bad Tölz

Aus dem einst so belebten Tölzer Kurviertel mit Kliniken, Sanatorien und Beherbergungsbetrieben ist ein Stadtteil geworden, in dem überdurchschnittlich viele ältere Menschen wohnen und vergleichsweise wenig Kinder und Jugendliche. Der Stadtrat will dieser "monostrukturierten Entwicklung" gegensteuern und für künftige Bauprojekte mehr kleinere Wohnungen vorschreiben. Bisher war das Gegenteil gefordert, vor allem große Wohnungen mit mehr als 100 Quadratmeter. Doch die bezogen nicht wie gewünscht junge Tölzer Familien, sondern betuchte Senioren. Ob mit der neuen Vorgabe eine Verjüngung des Kurviertels erreicht werden kann, war im Stadtrat umstritten.

Für das Kurviertel galten schon immer eigene Regeln. Viele Jahre lang legte ein Bebauungsplan "Sondergebiet Badeteil" die strenge Ausrichtung auf Tourismus und Kur fest. Als diese eine immer kleinere Rolle spielte, wurde dieser Bebauungsplan im Jahr 2005 aufgehoben und durch ein städtebauliches Rahmenkonzept ersetzt. Damit wollte man laut Bauamtsleiter Christian Fürstberger einen "sanften Weg" öffnen für die Umnutzung von brach liegenden Hotels und Kurpensionen in Wohnungen, ohne ein reines Wohngebiet zu schaffen. Bauträger mussten 80 Prozent der Gesamtwohnfläche mit Wohnungen planen, die mindestens 100 Quadratmeter groß sind. Kleinteilige Bebauung, Reihen- oder Doppelhäuser waren ganz ausgeschlossen. Doch diese großflächigen Wohnungen blieben mit dem Tölzer Preisniveau für junge Familien unerschwinglich. Stattdessen kauften oder mieteten vermehrt Nicht-Tölzer sie als Zweitwohnsitz oder zum Wohnen im Alter. Da für das Gelände des Herderbads derzeit ein Bebauungsplan in Arbeit ist und weitere größere Bauprojekte im Kurviertel in nächster Zeit anstehen, will die Stadt diese Entwicklung mit der neuen Quadratmetervorgabe stoppen, in der Hoffnung dass junge Paare dann zunächst in Zweizimmerwohnungen ziehen, mit einem Kind in Dreizimmerwohnungen wechseln, um sich dann vielleicht irgendwann noch einmal zu vergrößern. Bauträger müssen deshalb künftig zwei Drittel der Gesamtfläche mit mindestens 80 Quadratmeter großen Wohnungen planen, der Rest muss über 50 Quadratmeter groß sein.

Eines von mehreren Neubauprojekten im Kurviertel: In die allerwenigsten der neuen Wohnungen ziehen junge Familien ein. (Foto: Manfred Neubauer)

Andrea Grundhuber (Grüne) störte sich daran, dass es im Rahmenkonzept immer noch heißt, dass "Ruhe und Stille oberstes Ziel" in zentralen Bereichen des Viertels seien. Sie stieß eine lange und kontroverse Diskussion darüber an, ob die geänderte Quadratmetervorgabe ausreichend ist, um die Fehlentwicklung zu stoppen. "Ein Quadratmetermix reicht nicht aus", sagte sie. "Wir müssen schauen, dass wir einen Bewohnermix bekommen." Lediglich auf die Wohnfläche zu schauen bringe nur mehr Verkehr und mehr Bewohner.

Auch Robert Paintinger (CSU) sagte, dass "Beton allein" nicht ausreiche, und sprach von einem "Umfeld", das geschaffen werden müsse. Wie das genau aussehen solle, konnte keiner so konkretisieren, dass ein paar Sätze gleich in das Rahmenkonzept hätten übernommen werden können. In der Diskussion fielen vielfach süffisant Begriffe wie Kinderspielplatz und Kinderlärm. Die Mehrheit stimmte für die neuen Quadratmetervorgaben, obwohl in vielen Wortmeldungen zum Ausdruck kam, dass diese Maßnahme nicht ausreichen werde. Zusätzlich soll nun überlegt werden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen für ein familienfreundliches Kurviertel. Möglicherweise wird es dazu eine Arbeitsgruppe geben.

© SZ vom 09.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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