Jugendschutz:Schluckspechte feiern privat

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Ein neuer Trend bereitet Jugendschützern Kopfzerbrechen: Immer mehr nicht öffentliche Saufgelage werden über Facebook organisiert. Mit "Brückengesprächen" wird versucht, Minderjährige zu erreichen.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Weil sie Alkohol an Minderjährige ausschenkten, bekamen manche Festveranstalter vor einigen Jahren gehörigen Ärger mit dem Landratsamt. Ein Beispiel war die "Mexican Night" in Sachsenkam: Den Organisatoren wurde wegen der betrunkenen Jugendlichen eine Geldstrafe aufgebrummt. Seither gewährleisteten sie den Jugendschutz geradezu vorbildlich, sagt Claudia Koch vom Amt für Jugend und Familie. Mit solch etablierten Festen hat die Behörde kaum noch Probleme. Dafür macht ihr ein anderer Trend zu schaffen. Die Jugendliche ziehen sich zum Saufen zunehmend ins Private zurück. "Das macht uns große Sorgen", sagt Koch.

Das Ganze läuft übers Internet. Jemand lädt privat zu einer Feier ein, kündigt dies aber über Facebook oder Twitter an, worauf dann nicht nur ein paar Freunde, sondern gleich Hunderte Gäste kommen. Solche Partys bedürfen keiner Genehmigung durch die Gemeinde, erst wenn sturzbesoffene Minderjährige hernach der Polizei auffallen, kann das Jugendamt tätig werden. "Das ist kein rechtsfreier Raum", sagt Koch. "Da gilt der Jugendschutz genauso, den wir anwenden können." Im Vorfeld sei ein Zugriff jedoch schwierig. Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) erzählt von privaten Stadl-Festen im Landkreis wie etwa am Brauneck, "da standen plötzlich 300 Autos auf dem Parkplatz". Für Koch ist dies "ein besorgniserregender Trend", der bundesweit festzustellen sei.

Um dem Konsum von Hochprozentigem durch Jugendliche vorzubeugen, beteiligt sich das Landratsamt seit 2008 an dem deutschlandweiten Präventionsprojekt "HaLT" (Hart am Limit). Kooperationspartner sind die Suchtberatung der Caritas und der Kreisjugendring. Die Zahl der Heranwachsenden bis 18 Jahre, die mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus landeten, geht leicht zurück. 2013 verzeichnete Bernadette Sappl vom Gesundheitsamt noch 44 Einlieferungen, im Vorjahr waren es nur zwölf. In solchen Fällen kann der Arzt die Caritas verständigen, die einen ihrer Sozialpädagogen ans Krankenbett schickt. Vorausgesetzt, der junge Patient will das und entbindet den Arzt von seiner Schweigepflicht. Nur jeder vierte Jugendliche ist im Landkreis dazu bereit. Oftmals sagten auch die Eltern, "wir regeln das zu Hause", berichtet Herbert Peters von der Fachambulanz der Caritas.

Immer mehr Jugendliche konsumieren Alkohol auf Privatpartys. Dieser Rückzugstrend bereitet dem Jugendamt Sorge. (Foto: dpa)

Bei den sogenannten "Brückengesprächen" soll ein "zwangloser, nicht bedrohlicher Kontakt" zu dem Minderjährigen geknüpft werden. Zunächst kläre man, ob der Fall ein Ausrutscher oder "Teil eines Verhaltens" sei, erzählt Peters. Sylvia Marschall ist eine der Honorarkräfte, die junge Alkoholvergiftete in der Klinik aufsuchen. Die meisten seien deshalb das erste Mal im Krankenhaus, manche auch das zweite oder dritte Mal. Der krasseste Fall war für sie ein 14-Jähriger, der zum zehnten Mal mit einer Intoxikation eingeliefert wurde. Das sei jedoch kein Paradefall, schränkt sie ein. Die Eltern seien meist geschockt, einige beschämt, und in der Regel gesprächsbereit. Sie rede mit den Jugendlichen "nicht mit erhobenem Zeigefinger", sondern versuche, mit ihnen ins Gespräch zu kommen und Einsicht zu wecken, erzählt Marschall.

Auch wenn die Zahl der Vergiftungen sank, fällt Koch auf, dass immer mehr Jugendliche "völlig normal unterwegs sind", obwohl sie 1,2 und mehr Promille Alkohol im Blut haben. "Das deutet auf Gewöhnung hin", sagt Peters. Außerdem steigt der Alkoholkonsum bei Mädchen an, während er bei Jungen zurückgeht. Weil Jugendliche vor allem an Wochenenden, Feiertagen und in den Ferien trinken, reduzieren die HaLT-Mitarbeiter dieses Jahr ihre Rufbereitschaft bei Alkoholvergiftungen: Anstatt 365 Tage im Jahr sind sie künftig nur noch in diesen Zeiten zu erreichen.

Ein wesentlicher Baustein des Projekts ist die Prävention. Der Kreisjugendring plant für 26. Juli ein Veranstaltung für Jugendleiter im Hochseilgarten. Die mitunter noch nicht volljährigen Teilnehmer sollen dort einen "Risiko-Check" absolvieren und dann zum Klettern gehen. "Um selber ihre Grenzen zu spüren", wie KJR-Geschäftsführerin Kerstin Barth sagt.

© SZ vom 16.01.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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