Bad Tölz:"Es ist nicht alles so perfekt. Das ist das Schöne"

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Eine Ausstellung im Tölzer Stadtmuseum lässt die Geschichte des Reichersbeurer Faschingszugs lebendig werden

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Auf einer Wand des Tölzer Stadtmuseums fährt ein Nonnenchor vorüber. Die Schwestern schauen ziemlich kräftig und - pardon - alles andere als anmutig aus. Sie singen und swingen hin und her, eine sitzt am Klavier und hämmert wild in die Tasten. Ein Transporter zieht sie auf seiner Ladefläche langsam an der Mühlfeldkirche vorbei, so bleibt Zeit genug, um zu erkennen, dass in der Nonnentracht lauter Männer stecken. Seit der Eröffnung der Ausstellung über den Reichersbeurer Faschingszug, der alle zehn Jahre stattfindet, läuft der Film nahezu Tag und Nacht. Nur wenn der Beamer mal heiß laufe, stoppe man ihn kurz, sagt Barbara Hüttner vom Stadtmuseum.

Für die Besucher sind die Sequenzen aus den närrischen Umzügen vergangener Jahrzehnte ein richtiger Hingucker: "Das ist das Beste für die Leute, wenn sie Verwandte, Bekannte und Freunde auf den Bildern entdecken", erzählt Hüttner. Auf dem breiten Fensterbrett sitzt eine Puppe mit einem halbrunden Kopfschmuck aus gelben und roten Federn, als sei sie direkt vom Karneval aus Rio gekommen, und schaut auf die Marktstraße. Das Kostüm hat das Museum aus Reichersbeuern erhalten. "Da steckte damals ein Mann drin", sagt Hüttner. Im zweiten Ausstellungsraum steht eine blau angemalte Figur mit einer Trompete, als Schlumpf verkleidet. Hüttner schüttet aus einer Tüte noch etwas Konfetti auf den Boden und sagt, sie freue sich, dass in Bad Tölz zu Fasching "mal ein bisschen was gemacht wird". Die Ausstellung komme gut an, immer wieder schauten Gäste herein.

Die Schau besteht ansonsten vor allem aus Fotos der Faschingszüge seit 1929, die auf große Papierbögen geklebt sind, garniert mit Konfetti und Luftschlangen. Sie veranschaulichen, dass die Motivwagen und die Kostüme in dem knappen Jahrhundert von Mal zu Mal ausgereifter und phantasievoller ausfielen. Bei der "Großen Fasenacht mit Haberfeldtreiben" vor 86 Jahren waren die Zugteilnehmer noch als Feuerwehrleute, Köche oder Ordonnanzen verkleidet, wie die leicht unscharfen Schwarz-Weiß-Bilder zeigen. 2005 gab es eine fahrende "Reishbeirer Schönheitsklinik", denn "Bad Tölz muss schöner werden", ein Space-Taxi oder eine überdimensionale Feldküche. Obwohl sich die Themen der närrischen Prozession meist auf lokale Geschehnisse beziehen, geben einige Aufnahmen auch wieder, was seinerzeit gerade so in der Weltpolitik los war. An die Ölkrise vor 40 Jahren erinnert eine riesige Luxuslimousine mit einer Handvoll Scheichs, die 1975 mitfuhr, an den Start der ersten Weltraumfähren die Nachbildung eines Space Shuttles im Jahr 1985. Versteckt in einer Ecke hängen spärliche Zeitungsausschnitte von 1939. Auf den vier Fotos ist wenig zu erkennen, die Überschrift ist humorlos gedrechselt: "Reichersbeurer Faschings-Pferdeschlittenrennen".

Ein älterer Besucher schaut sich da lieber den Film an. "Es ist nicht alles so perfekt", kommentiert er. "Das ist das Schöne." Asterix und Obelix fahren auf der Leinwand vorbei, gefolgt von Germanen und einer römischen Kohorte in einer Garnison. Barbara Hüttner sagt: "Da können Sie die Kölner vergessen." Noch eine Woche lang ist die Schau im Stadtmuseum zu den üblichen Öffnungszeiten zu sehen - genau bis zum Sonntag, 15. Februar, wenn die närrischen Invasoren aus Reichersbeuern und Greiling in der Tölzer Marktstraße einfallen. Länger leider nicht, bedauert Hüttner. Am Rosenmontag und Faschingsdienstag hat das Stadtmuseum geschlossen. Immerhin bleibt so ausreichend Zeit, um das Konfetti in den beiden Ausstellungsräumen rechtzeitig vor Aschermittwoch zusammenzukehren.

© SZ vom 09.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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