Bad Tölz:Dem Nirvana geht's nass rein

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Vielleicht ein gutes Zeichen: Die Generalprobe zu Wolfgang Ramadans Stationentheater am Blomberg ist verregnet. Doch Zuschauer und Darsteller lassen sich den paradiesischen Spaß nicht verderben.

Von Petra Schneider

Musiker Mane (Mane Abholzer) ist tot und darf ins Paradies. Aber in welches? (Foto: Manfred Neubauer)

Der Weg ins Paradies ist steinig, und am Sonntagvormittag ist er vor allem nass. Denn just bei der Fahrt auf der Himmelsleiter hat der Herrgott kein Einsehen mehr und lässt die dicken schwarzen Wolken platzen, die zuvor bedrohlich über dem Blomberg aufgezogen sind. Trotzdem, der Gipfel muss bezwungen werden, denn oben wartet das Paradies. Genauer gesagt, zwei: ein bayerischer Himmel und das indische Nirvana, und in welches Paradies der Mane (Mane Abholzer) nun nach seinem jähen Ableben eingehen will, das darf er laut göttlichem Beschluss selbst entscheiden.

Die Geschichte von Wolfgang Ramadans drittem Naturschauspiel "Pension Nirvana" ist schnell erzählt: Es geht um den altbekannten Deal mit dem Boandlkramer und um das wahre Paradies, das für einen Hiesigen auf jeden Fall in Bayern liegt. Beim Mane ist die Frage diffiziler, denn sein Himmel ist die Pension Nirvana, die es tatsächlich gibt, im Nirgendwo zwischen Blombergbahn und Stallauer Weiher. Leichtfertig hat der Mane, Musikant eben jener Pension, gerufen: "Dass i da a Musi machen darf, des is so schee, da kunnt i grad sterbn." Das lässt sich der zaundürre Boandlkramer (Gerhard Rothenfußer) nicht zweimal sagen, der sich dann freilich mit der indischen Göttin der Vergänglichkeit (Monika Manz) um die Seele des Musikanten streiten muss.

Die öffentliche Probe am Sonntagvormittag ist eine Weltpremiere: "Das erste Sessellifttheater auf der höchsten Bühne im Alpenraum", wie Ramadan die etwa 70 Zuschauer begrüßt. An der Technik hakt es noch manchmal, die Atmosphäre ist entspannt. Schauspieler und Crew wandern gemeinsam mit den Zuschauern von Station zu Station. Auch der Dresscode ist leger: Bergschuhe und Goretex-Jacken, einige haben trotz guter Wetterprognose Regencapes im Rucksack. Denn Wandern, Sesselliftfahren und Mitsingen ist angesagt bei diesem "Stationenspektakel".

Von der Pension Nirvana geht es im Trauermarsch vorbei an der indischen Göttin Kali, die am Wiesenrand in einer Rikscha wartet und sich die Seele vom Mane schnappen will. Gefährlich nah kommt man der Hölle: Nebelschwaden wabern aus einer Scheune, ein ferngesteuertes Höllengefährt flitzt der Trauergemeinde durch die Beine. Nächste Station ist der Tunnel zur Blombergbahn. Kurt Cobain, verstorbener Sänger der Band Nirvana, muss dort selbstmordbedingt im Fegefeuer schmoren und zur Strafe Tunnelkonzerte geben.

Musik gibt es reichlich bei dieser Inszenierung: Gstanzl, Blues, Mitsing-Lieder. "I nack, nack, nack an der Himmelstür", rockt Ramadan zur Gitarre. Besonders Musiker Rudi Vietz ist eine Wucht: "Der schwärzeste Sänger des Chiemgaus", wie Ramadan sagt, der als Cobain mit weißer Perücke schnarrt wie der späte Bob Dylan. Monika Manz, Schauspielerin unter anderem an den Münchner Kammerspielen, in Rosenmüller-Filmen und diversen Fernsehserien, begeistert mit ihrer Präsenz und der ausgeprägten Mimik: Gewandet in blauem Samt mit merkwürdigem Kopfputz, gibt sie die indische Göttin gschnappig-bayerisch und gar nicht esoterisch. "Indien, of course, ist weit, aber der Mane is meiner. Hare Rama, sag i."

Es ist ein Experiment, das Autor und Regisseur Ramadan wagt, ein interaktives Theater, bei dem die Zuschauer und vor allem die Umgebung mitspielen. Wenn das Wetter mitspielt. 40 Vorstellungen sind von 27. Juni an geplant. "Mit 20 haben wir kalkuliert, wenn wir zehn spielen, sind wir froh", sagt Ramadan. Die gute Laune lassen er und seine Schauspieler sich dadurch nicht verderben. Auch die Zuschauer spielen bis zum Ende mit, obwohl der Blick ins verregnete Tal schon mal paradiesischer war und die Breze, die es für die Sesselliftfahrer auf der Mittelstation im "Schlaraffenland" gibt, arg durchweicht ist.

Vieles, was Ramadan sich ausgedacht hat, um Wartepausen zu verkürzen, ist bei der Probe am Sonntag noch nicht zu sehen: etwa die indischen Puppenspieler beim Anstehen an der Bahn oder die vier Meter hohen Stelzengeher, die beim Ausstieg einen Schäfflertanz aufführen, bis alle oben ankommen.

Bei der Premiere am Donnerstag ist "Bulle"-Kollegin Katerina Jacob mit dabei, am Freitag Ottfried Fischer selbst. So Gott will, ist dann auch das Wetter besser und der Blick vom Blomberggipfel. Weil, wie sagt der Mane: So schön wie hier kann's weder im Nirvana noch im bayerischen Himmel sein.

© SZ vom 24.06.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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