Adventskalender:Schnubigljuchu!

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Das Benefizkonzert der Süddeutschen Zeitung im Kurhaus amüsiert das Publikum mit eigenwilliger Poesie, schräger Volksmusik und Kants auf das Bieseln angewandten Kategorischen Imperativ.

Petra Schneider

Mit einem bunten Adventskalender versüßte das Benefizkonzert der SZ Bad Tölz-Wolfratshausen die Wartezeit aufs Christkind. Viele Türchen öffneten sich am Donnerstagabend im Tölzer Kurhaus, mit allerhand Überraschendem und Ungewöhnlichem. Etwa die Kostproben "schnubiglbaierischer" Poesie des Regensburger Musikethnologen Felix Hoerburger, die Beate Himmelstoß mit Verve vortrug. Oder die Musik des Mädchenduos Tuó, das sich am Donnerstag mit dem Gitarristen Amadeus Gregor Böhm zu einem Triú erweitert hatte. Dafür waren die bajuwarischen Weltmusiker Fei scho krankheitsbedingt auf vier geschrumpft, ebenso ihr Arsenal an Instrumenten von normalerweise 18 auf sechs.

"Es wird nicht weihnachtlich, keine Angst", kündigt Beate Himmelstoß, Sprecherin beim Bayerischen Rundfunk, an. Und tatsächlich kommen die ausgewählten Texte ganz ohne Tannenduft und Winterwunderländer aus. Zum Besinnen sind einige dennoch geeignet. Und zum Schmunzeln auch. Etwa die heitere Parabel "Eine Zirkusattraktion" von Panos Karnezis über die Kultur und ihre (Ver-)Käuflichkeit. Da lässt sich ein abgetakelter Zentaur nur durch eine ansehnliche Gewinnbeteiligung als Zirkusattraktion gewinnen. "Denn wenn die Konkurrenz mit der Sphinx mit den Riesenbrüsten vorbeikommt, sind wir geliefert", fleht der Direktor.

Philosophisches von Nietzsche und Schopenhauer, Rilke und Wolf Biermann liest Himmelstoß: Über Wendepunkte im Leben, Nietzsches Lebens-Eros und Schopenhauers Winternächte. Auch Kants Kategorischer Imperativ findet Eingang, in einer erfrischend lebenswirklichen Interpretation von Franz Ringseis. Ist wildes Bieseln im Sinne Kants moralisch vertretbar? Ringseis' Fazit: "I wui ja net, dass des alle machen, also biesel i ned nei in See." Bloß schade, dass es die anderen doch tun: "Weils an Kant ned kennan."

Zwischen den Lesungen immer wieder Musik, gemäß dem alljährlichen Motto der SZ-Benefizveranstaltung, "Töne und Texte vor dem Fest". Besonders die beiden von Tuó, Gitarristin Tasmin Gutwald aus Königsdorf und Oda Tiemann aus Gelting an der Djembe, die kürzlich den New Music Award in Berlin knapp verfehlten, begeistern die rund 150 Zuhörer. Mit luftigen Blümchenkleidern sitzen die 18-Jährigen auf der Bühne, selbstbewusst und gelassen, und singen mit kräftigen Stimmen melancholische Folksongs von Liebe und Freiheit. Auch Mut zum Experimentieren beweisen sie, etwa beim variationsreichen "Paradise" oder bei "Survivor" mit seinem stampfenden Rhythmus.

Dass sie sich den 28-jährigen Gitarristen Böhm, Chef des Labels "Flowerstreet Records", bei dem Tuó unter Vertrag stehen, als Verstärkung geholt haben, ist eine Bereicherung. Die Musik gewinnt durch die zweite Gitarre an Volumen und eröffnet neue Variationsmöglichkeiten.

Weil mit Angela Lex am Donnerstagabend die tragende Flötenstimme ausfällt, wird viel improvisiert bei Fei scho und ihrer ohnehin schrägen Mischung aus Volksmusik, Jazz, Funk und Rock. Geiger Juri Lex übernimmt die Flötenstimme, und so mogelt sich irisches Fiddler-Flair in die bairischen Themen, die den Liedern oft zugrunde liegen.

Das dürfte den Musikern fei scho recht sein, denn Volksmusik weiterentwickeln, ungewöhnliche Instrumente und fremde Stile zu Neuem mischen, haben sie sich auf die Fahnen geschrieben. Die Drehleier von Stefan Straubinger etwa schnurrt und rockt, das Bandoneon mit dem ausgezogenen grünen Balg windet sich wie eine Raupe über seine Oberschenkel, es wird vor allem nach der Pause gejodelt und gejuchzt.

Gut gelaunt auch Sprecherin Himmelstoß beim Festschmaus auf schnubiglbaierisch. Von aufdampferter Scheibitzelsoß, Schupfa-dupfa und Erdäpfel-Beizn schwärmt die Sprecherin und steigert sich im Dialog mit Juri Lex zu einem lustvollen Genusshöhepunkt. Schnubiglbaierisch, das klingt, wie Dampfnudeln schmecken: teigig, üppig und weich. Lautmalerische Wortgebilde, die das Unverwechselbare des Dialekts betonen. Auch die Zuhörer lassen sich begeistern und klatschen am Ende eines heiteren Abends im Dreivierteltakt. Schnubigljuchuh.

© SZ vom 17.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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