Wohnungsbau:Hand in Hand

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Beschäftigte der Stadtwerke haben eine Genossenschaft gegründet, die mit dem Unternehmen bereits über ein Grundstück für 80 günstige Wohnungen verhandelt. Das Modell solle Schule machen, fordert der DGB

Von Heiner Effern

Die Gewerkschaften haben potente Drückeberger ausgemacht, die gegen die Mietexplosion etwas unternehmen könnten, sich aber überwiegend still halten: die großen Konzerne. "Die verdienen in der Stadt sehr viel Geld, sind aber nicht bereit, für ihre Mitarbeiter Werkswohnungen zu bauen", wirft der Münchner Verdi-Chef Heinrich Birner ihnen vor. Die Kollegen in den Aufsichtsräten sollten die Vorstände mit dem Thema "nerven". Oder aber selbst tätig werden, wie die Beschäftigten der Münchner Stadtwerke (SWM). Mitarbeiter haben aus dem Unternehmen heraus die Wohnungsbaugenossenschaft Stadtwerkschaft gegründet. Diese soll Häuser bauen, in die sich ihre Mitglieder günstig und unkündbar einmieten können.

Dieses Modell solle in München wieder Schule machen, sagt die DGB-Kreischefin Simone Burger. Viele Konzerne hätten brach liegende Flächen, die sie günstig Mitarbeiter-Genossenschaften zur Verfügung stellen könnten. "Dafür bekommen sie günstige Wohnungen für ihre Mitarbeiter zum Nullkostentarif." Das gelte auch für die Stadtwerke, die die Gewerkschafter aber bei der grundsätzlichen Kritik ausdrücklich schonen. Schließlich verfügen die SWM mit ihren etwa 9000 Mitarbeitern über 600 Werkswohnungen und bauen gerade 500 neue. Die junge Genossenschaft befinde sich zudem mit dem Arbeitgeber bereits "in positiven Verhandlungen" über ein Grundstück, sagt Stadtwerkschaft-Vorstand Thorsten Bockmühl. Wenn es zu einem Abschluss komme, plane die Genossenschaft ein Wohnhaus für 80 Parteien. Nicht am Stadtrand, sondern in einer Lage, in der die engagierten Mitarbeiter auch leben wollen. "Wir können ja nicht an unseren Gesellschaftern vorbeiplanen", sagt Bockmühl.

Bis zur Gründung der Genossenschaft am 25. Januar 2017 sei es ein weiter Weg gewesen, erklärt die Münchner DGB-Chefin Burger. Das Thema Wohnungen für Mitarbeiter sei schwierig. "Das ist nicht unsere erste Initiative, jedes Mal wurde uns aber nur erklärt, warum was nicht geht." Nun wollen die Gewerkschaften mit ihrem Gang an die Öffentlichkeit beweisen, dass doch etwas geht. Und zwar Altbewährtes: Die Beschäftigten der Stadtwerke beleben mit ihrer Genossenschaft schließlich ein Erfolgsmodell, das in der Vergangenheit vielen bezahlbare Wohnungen gebracht hat, zum Beispiel den Angestellten der Eisenbahn oder der Post.

Die Mitarbeiter der Stadtwerke fingen im Jahr 2017 klein an. 31 von ihnen haben die Genossenschaft gegründet, die Zahl der Mitglieder ist aber schon bis auf 60 gewachsen. Interessenten müssen bei den Stadtwerken arbeiten und eine Einlage von drei Anteilen á 500 Euro leisten. Sind sie dazu länger als ein Jahr bei den SWM beschäftigt, erhalten sie lebenslanges Anrecht auf eine Wohnung. Das bleibt auch bestehen, wenn sie den Arbeitgeber wechseln. Die Motivation und die Kompetenz der Genossenschafter sei hoch, sagt SWM-Betriebsratschef Karl Geigenberger. "Wir haben sehr viele unterschiedliche Berufsgruppen wie Bauingenieure oder Handwerker im Unternehmen, die sich da gerne ausleben." Die Stadtwerke zeigten sich als Arbeitgeber aufgeschlossen.

Um den Konzern weiter einzubinden und auch in die Pflicht zu nehmen, gründete die Genossenschaft einen in Bayern unüblichen Beirat. Dort sitzen nun die Stadtwerke, können mitreden, sind aber auch in der Pflicht, "Stellung zu beziehen", sagt Geigenberger. Das geschieht auf Anfrage auch. "Die Stadtwerke München haben die Gründung der Stadtwerkschaft durch die Betriebsräte unterstützt und begrüßen die Initiative", erklärte ein Sprecher. Er bestätigte auch die laufenden Verhandlungen über ein Grundstück für die Genossenschaft. Betriebsratschef Geigenberger hofft auf ein Zeichen für die privaten Konzerne in München. "Viele Firmen haben Flächen, die brach liegen. Die sollten prüfen: Brauchen sie die für die Zukunftsplanung oder nicht?" Letztendlich würden sie von günstigen Wohnungen für ihre Mitarbeiter profitieren.

Die Stadt weist für Genossenschaften bereits kostengünstige Flächen aus, die aber absehbar nicht ausreichen werden. Als Arbeitgeber versucht sie ebenfalls, selbst möglichst viele Wohnungen für ihre etwa 35 000 Mitarbeiter anzubieten. Laut Personalreferat sind es derzeit etwa 2500. Eine langfristige Rechnung der Verwaltung ergab, dass bis 2025 nochmals mindestens 1700 neue Wohnungen dazukommen sollten.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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