Wo ist das enfant terrible?:Dramatische Eröffnung

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Plötzlich ist Christoph Schlingensief verschwunden. Und das bei der Eröffnung seiner eigenen Ausstellung. Was nun? Die Kunstszene ist aufgeregt, aber das ist sie ja gerne mal.

Christina Maria Berr

Christoph Schlingensief ist weg. Ans Handy geht er auch nicht, heißt es. Und das, wo man ihn gerade so richtig feiern wollte. Und nun?

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:Christoph Schlingensief im Haus der Kunst

Hype im Haus der Kunst. Wenn Christoph Schlingensief ausstellt, kommen alle. Dabei ist das Enfant terrible ernst geworden - und seine Kunst eindringlicher als je zuvor.

Die Münchner Kusntszene ist aufgeregt, der Künstler hat soeben einen berührend-dramatischen Abgang hingelegt. Denn die Ausstellung "18 Bilder pro Sekunde" im Haus der Kunst hat er bei der Eröffnung am Donnerstagabend seinem toten Vater gewidmet. Dann ist er verschwunden.

In der Ausstellung im Haus der Kunst geht es um das Verschwinden, um die Leerstelle - und Erlösung: Fragile Filme aus Manaos werden gezeigt, die vermutlich im Laufe der Ausstellung kaputtgehen werden.

Auch ein unfertiger Film aus Namabia - "African Twin Towers" - läuft auf 18 Billdschirmen. Und über all den Filmen: Einer überdimensional großen Abendmahlszene - eine Nachbildung eines brasilianischen Karnevalwagens - wurde eine Figur entfernt, zwei stehen im Abseits.

Stattdessen, so hieß es im Vorfeld, sei der Prophet Mohammed hinzugekommen. Von dem enfant terrible hätte man nichts anderes erwartet. Wo aber ist nun dieser Mohammed? Die Kritiker rätseln. Und wo ist überhaupt Schlingensief, der das ja vielleicht erklären könnte?

Der Künstler ist wieder aufgetaucht. So, als ginge ihn das gar nichts mehr an, sitzt er mit seiner Truppe am Rand der Feier auf der Terrasse.

Schon vor der Eröffnung hat sich die Fangemeinde hier versammelt - unter ihnen viele Künstlerkollegen wie das Dramatikerpaar Tankred Dorst und Ursula Ehler, Autor Andreas Neumeister, Komponist Moritz Eggert - und sogar die Starkünstler Gilbert und George sind kurz aufgetaucht.

Dann wäre da noch die Dame des Abends: Irm Hermann. Ui, sagt eine Besucherin, als sie die Hermann in der Menge entdeckt. Wow, ruft ein anderer. Hermann, im schlichten grünen Kleid, zieht alle Blicke auf sich.

Die einstige Fassbinder-Schauspielerin hat mit Schlingensief in Namibia gedreht ("dort war es kühler"). Warum diese Strapazen? Das gegenwärtige Theater sei doch sehr konventionell, findet die gebürtige Münchnerin. "Und konventionell bin ich eher nicht", meint sie. Dann ist auch sie verschwunden.

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