Wirksamkeit unklar:Zahlen für die Zahnreinigung

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Warum gesetzliche Krankenkassen nicht jede Behandlung finanzieren

Von Stephan Handel

Zum Beispiel die Sache mit der Zahnreinigung: Die soll ja, ein, zwei Mal im Jahr bestens vor Karies, Parodontose und Mundgeruch schützen. Warum also, fragen sich viele Patienten, müssen wir das selbst bezahlen? Sind die Krankenkassen nicht dumm, wenn sie nicht in die Prävention investieren, sondern stattdessen später teure Behandlungen finanzieren? So schaut's auf den ersten Blick aus - auf den zweiten allerdings ist es komplizierter.

Wann bezahlen Krankenkassen welche Therapien? Diese Frage stellt sich vor allem bei neuen, ungewöhnlichen Therapien, wie sie die SZ-Serie "Die Gesund-Macher" in den vergangenen eineinhalb Wochen vorgestellt hat. Grundsätzlich erstattet die gesetzliche Krankenkasse (GKV) alles, was in den Katalogen über die DRGs, "diagnosis related Groups", aufgelistet ist. Der Unfallchirurg Markus Stumpf am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder etwa verwendet Kunststoff für die Stabilisierung von Knochenbrüchen. Diese Methode ist zugelassen unter anderem für den Unterarm und das Schlüsselbein. Nicht zugelassen ist sie bislang für die Reparatur von Beckenbrüchen. Stumpf wendet sie dort trotzdem an - ohne finanzielle Probleme, denn die Behandlung ist nicht teurer als eine herkömmliche und kann ganz normal über eine der DRGs mit der Kennzeichnung M80 abgerechnet werden.

Diese Ausweitung der Verwendung eines Arzneimittels heißt "Off Label Use" und ist problemlos - es sei denn, sie würde sehr viel teurer kommen als die herkömmliche Methode. Dann müsste der Arzt beziehungsweise seine Klinik versuchen, mit den Kassen über eine Einzelfall-Vergütung oder einen Aufschlag auf die DRG zu verhandeln. Erst wenn eine solche Gebrauchs-Erweiterung sich bewährt hat, wozu auch gehört, dass sie besser ist als die alte Methode, kann sie ins DRG-System aufgenommen werden und ist damit eine anerkannte Therapie.

Noch einmal anders liegt die Sache bei Therapien oder Medikamenten, die zum Beispiel an einem Universitätsklinikum als vielleicht vielversprechend erforscht werden. In solchen Fällen trägt die Krankenkasse nur die Kosten für den Klinik-Aufenthalt - das Geld für die eigentliche Behandlung kommt von den Kliniken oder, öfter noch, von Pharmaunternehmen, die so ihre Neuentwicklungen testen wollen. Eine Sonderform, die die Kassen zur Kostenübernahme verpflichtet, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem "Nikolaus-Beschluss" von 2005 formuliert, so genannt, weil er am 6. Dezember gefasst wurde: Danach müssen die GKV bezahlen, wenn bei einer lebensbedrohlichen oder tödlichen Erkrankung alle erprobten Behandlungsmethoden ausgeschöpft sind und eine andere Methode eine "nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf erlaubt".

Und die "professionelle Zahnreinigung"? Ihre Wirksamkeit sieht der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen zumindest als "unklar", vor allem, weil nicht definiert ist, was "professionell" in diesem Zusammenhang bedeuten könnte - und deshalb muss sie der Patient selbst bezahlen. Immerhin: Schaden kann dabei wenigstens kaum entstehen.

© SZ vom 02.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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