Wiesn-Tourismus:Aus der Bahn

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500 zusätzliche Züge fahren während des Oktoberfests von und zur Theresienwiese - aus ganz Bayern. Auch in den Abteilen ist es dieses Jahr ruhiger als sonst

Von Karin Seibold

Das Bier haben sie in Plastiktüten dabei. Sarah, Sarah und Angelika sind für ihren Oktoberfestbesuch gut vorbereitet. Eine Flasche Helles oder Radler für jede der 23-Jährigen, und schon kurz nach dem Start des Zuges in Passau wird gemeinsam angestoßen. Die drei Passauer Studentinnen haben sich auch schick gemacht. Denn an diesem Tag geht es auf die Wiesn. Pünktlich um 9.16 Uhr fährt der Zug Richtung München los. Schon kurz danach ploppen die Kronkorken von den Flaschenhälsen: Jetzt wird angestoßen.

500 zusätzliche Züge und S-Bahnen setzt die Deutsche Bahn in den zwei Wochen des Oktoberfests ein. Sie rechnet mit zwei Millionen Fahrgästen, die zur oder von der Theresienwiese weg fahren. Allein in der S-Bahn sitzen und stehen während der Wiens-Zeit täglich rund 100 000 Gäste mehr, rechnet das Unternehmen vor. Sonderzüge vor allem an den Wochenenden verbinden München mit Nürnberg, Würzburg, Donauwörth, Augsburg, Ulm und Kempten. Doch auch während der Woche und auch auf der Strecke von Passau nach München sind so einige Dirndl und Lederhosen zu sehen.

Auch Christina und Matthias aus Hauzenberg, beide 26, haben sich an diesem Tag herausgeputzt. Bier gibt es bei ihnen im Zug noch nicht, stattdessen steht eine große Flasche Wasser bereit. Für Matthias geht es zum erste Mal aufs Oktoberfest. Die beiden gehen zu zweit, einen Tisch haben sie nicht reserviert. "Wir wollen ein bisschen bummeln", sagt Christina, große Fahrten mit den Fahrgeschäften und auch übermäßiger Alkoholkonsum sind nicht eingeplant.

Ein Abteil weiter sitzen fünf Männer, teils in Lederhosen, teils in Jeans mit Trachten-Weste, und halten sich jeder an einer Flasche Pils fest. Otto, Tom, Alfred, Kemal und Georg aus Röhrnbach zieht es auch dieses Jahr wieder aufs Oktoberfest, der Ausflug hat schon Tradition. Alfred, der 61-jährige Pensionist, hat wie jedes Jahr eine Kerze dabei. Die will er an der Gedenkstätte für das Oktoberfestattentat am 26. September 1980 aufstellen. "Ich hatte damals wahnsinniges Glück", sagt er. Die Explosion, bei der 13 Menschen getötet und 211 weitere verletzt wurden, hat ihn verschont - obwohl auch er an diesem Tag auf der Wiesn war und eigentlich gegen 22.19 Uhr, als die Bombe explodierte, am Haupteingang hätte sein wollen. Doch an diesem Tag ging Alfred schon gegen 20 Uhr nach Hause - und blieb so von dem Anschlag verschont.

Nachdem Alfred seine Geschichte erzählt hat, stoßen die Männer erst einmal an. Dann geht es daran, den Tag zu planen. Ottos Tochter Simone, die gleichzeitig die Freundin von Tom ist, arbeitet als Wiesn-Bedienung im Bräurosl. Sie wollen die Männer auf jeden Fall besuchen. Georg, der Landwirt, will auch eine Runde auf der Landwirtschaftsausstellung drehen. Und Alfred, der Pensionist, will sich in einige der Fahrgeschäfte wagen.

Abgesehen von der Männerrunde, die unablässig plaudert, ist es ruhig im Zug. Die Fahrgäste schlafen, hören Musik, schauen aus dem Fenster oder spielen mit ihren Handys herum. Die Männer in ihren Lederhosen stören sie nicht - und auch das gelegentliche Klimpern, wenn sie mit ihren Pilsflaschen anstoßen, erregt keine Aufmerksamkeit.

Insgesamt gibt es in diesem Jahr weniger zusätzliche Wiesn-Fahrgäste als sonst, teilt die Deutsche Bahn auf Anfrage mit. Vereinzelt sei es zu gewalttätigen Übergriffen auf Bahn-Mitarbeiter gekommen. So wurden am Münchner Hauptbahnhof bei zwei Zwischenfällen Sicherheitsmänner verletzt. An der Hackerbrücke wurde ebenfalls ein Sicherheitsmann verletzt, als ein 1,5-Liter Tetrapack von der Brücke auf ihn herab stürzte. Vor allem in den Spätzügen sei es vermehrt zu Vandalismus oder auch Schlägereien gekommen, heißt es. Im Vergleich zu den Vorjahren gab es in diesem Jahr zudem mehr Betriebsstörungen durch "herrenloses Gepäck", das von Sprengstoffhunden untersucht werden musste.

Zu solchen Zwischenfällen kommt es in dem Zug von Passau nach München glücklicherweise nicht. Alles verläuft friedlich. In München angekommen, stecken die Gäste ihre leeren Flaschen in die Abfallkörbe der Abteile und laufen los Richtung Theresienwiese.

© SZ vom 27.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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