Wahlrecht in Bayern:Bitte ohne Tricks zu Mandaten

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Warum das Auszähl-System nicht geändert werden sollte

"Offener Machtkampf" vom 15. März:

Teuflische Bevorzugung

Es überrascht, wenn Wolfgang Wittl in seinem Bericht über Rangeleien zwischen Seehofer und der Landtagsfraktion von "kleinen, unangenehmen Dingen" spricht, gar von einer Allerweltsfrage, wenn es um die Mandatszuteilung nach demokratischen Wahlen geht (Horst Seehofer bezog das Wort nicht auf die Mandatsverteilung, sondern auf den bevorstehenden Wahlkampf und die Frage, ob die CSU wegen Martin Schulz nervös werde; Seehofer antwortete, nicht Schulz, sondern Themen seiner Partei wie Riedberger Horn, Nationalparks, Dauer der gymnasialen Ausbildung machten ihn nervös; d. Red.). Es geht nicht um Peanuts. Es geht um Grundfragen der Demokratie, und um die Teilhabe an der Macht, die unsere Demokratie ausmacht.

Bei den Landtagswahlen 1990 erhielt die FDP durch die Wähler rechnerisch 11,6 Mandate. Nach dem von der CSU immer bevorzugten System d'Hondt waren es dann damals 7 Mandate. Diese Abweichung vom Wählerwillen war dem bayerischen Verfassungsgerichtshof dann doch zu krass. Er kippte das Landeswahlrecht und veranlasste den Landtag, auf das System von Hare- Niemeyer überzugehen, das den Wählerwillen entsprechend den Vorgaben des Grundgesetzes und der bayerischen Verfassung proportional in Mandaten ausgedrückt sehen will.

2008 erhielt die CSU bei der Landtagswahl 43,4 Prozent der Stimmen. Da sie nach dem Willen der Wähler eben bei weitem keine eigene Mehrheit hatte, musste sie eine Koalition - mit der FDP - eingehen, weil sie eben nach dem System von Hare-Niemeyer so viele Mandate bekam, wie ihr vom Wähler zugesprochen waren. Hätte damals noch das System von D'Hondt gegolten, hätte die CSU mit 43,4 Prozent der Stimmen eine eigene Mehrheit der Sitze im Landtag bekommen! In München ist traditionell die SPD bei Kommunalwahlen die stärkste Partei. Sie wurde früher demnach ebenso vom manipulativen System nach D'Hondt begünstigt. So erreichte sie zum Beispiel 2002 statt der ihr nach dem Wahlergebnis rechnerisch zustehenden 34,2 Mandate tatsächlich 37 Mandate.

Die CSU-Landtagsfraktion will dem bayerischen Sprichwort "der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen" Verfassungsrang einräumen. Das Wahlrecht und sein zentraler Bestandteil, die Umsetzung des Wahlergebnisses in Mandate, ist aber direkter Ausfluss des Demokratiegrundsatzes unserer Verfassung. Wenn die CSU tatsächlich mit ihrer Mehrheit das Wahlrecht ändern und das demokratische Grundprinzip des gleichen Stimmengewichts jeder Wählerstimme zu ihren Gunsten außer Kraft setzen will, dann wird wohl der Verfassungsgerichtshof diese Partei - die nach dem Motto handelt: "Wer die Macht hat, hat das Recht" - wieder auf den Rückweg zur Demokratie verweisen müssen. Hildebrecht Braun, München

Wahlverfahren selbst wählen

Aus kommunaler Sicht wäre es zu begrüßen, wenn die Gemeinden (ohne Landkreise) wie in Großbritannien selbst darüber entscheiden dürften, welches Wahlrecht sie aus einer verfügbaren Auswahl von vier oder fünf Systemen anwenden wollen. Eine Reform sollte dann per Rats- oder Bürgerbegehren legitimiert werden. Das Beispiel Großbritannien zeigt, dass die Vielfalt kommunaler Wahlrechtsregelungen keine Probleme verursacht. Es käme also nur auf den politischen Mut und den Willen an. Prof. Dr. Stefan Schieren, Eichstätt

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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