Wahlkampf hat schon begonnen:Duell zwischen Stadt und Staat

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Die Haushaltsdebatte wird vom Wahlkampf geprägt. Es geht vor allem um die Frage, wer die besseren Zahlen hat - die Stadt München oder der Freistaat Bayern.

Dominik Hutter

Horst Seehofer war gar nicht da. Dabei wäre er sicher gerne mal zum Mikrofon gegangen im Großen Sitzungssaal des Rathauses - schließlich wurde dort an diesem Mittwoch der Haushalt des Freistaats fast ebenso leidenschaftlich diskutiert wie der Kassenstand der Stadt. Wer ist besser, lautete das Thema in diesem vorgezogenen Wahlkampf: Stadt oder Freistaat, Rot-Grün oder Schwarz-Gelb - Christian Ude oder Horst Seehofer?

Es war nicht zu übersehen, was bei der großen Haushaltsdebatte in der letzten Stadtratssitzung dieses Jahres im Mittelpunkt stand: Dass der Oberbürgermeister nach Vorlage eines guten Politik-Zeugnisses den Ministerpräsidenten beerben will - und dass die Opposition alles tut, um dies zu verhindern. Ist ja alles gar nicht so toll wie es scheint, lautete denn auch der Tenor von CSU-Fraktionschef Josef Schmid.

Die vergleichsweise günstige Münchner Haushaltssituation sei schließlich auch den Beschlüssen der schwarz-gelben Bundesregierung zu verdanken, und dass die Stadt in diesem Jahr 550 Millionen Euro Schulden zurückzahlen kann, sei wohl doch eher Buchungstrick als finanzpolitische Sensation. Offenkundig habe sich Ude gut vorbereitet und rechtzeitig eine Kriegskasse angelegt, mit der nun pünktlich zur Bekanntgabe der eigenen landespolitischen Ambitionen der Münchner Haushalt "in Form gebracht" werden soll. "Sie wollen auf Biegen und Brechen besser sein als die CSU", rief Schmid. "Sie sind es aber nicht."

Und dann ging der CSU-Mann auf die Themen ein, die Ude so gerne als Erfolgsnachweis aufs Tapet bringt. Kinderbetreuung? "Da bleibt die Stadt weit hinter dem Bedarf zurück." Verkehr? "Udes einzige Lösung heißt S-Bahn" - während die von der Stadt zu stemmenden U-Bahn-Verlängerungen nach Englschalking und Pasing in den Schubladen moderten.

Und wer wie Ude das Fiasko bei der Landesbank "wie eine Monstranz vor sich herträgt, muss sich Versagen beim städtischen Klinikum vorwerfen lassen". Mietsteigerungen bei der landeseigenen GBW? Gerade erst habe der Chef der städtischen GWG Mieterhöhungen von 15 Prozent bekanntgegeben. "Wir lehnen 2013 Ihre Ministerpräsidentenschaft ab", erklärte Schmid. "Und schon heute lehnen wir Ihren Haushalt ab."

Der so Gescholtene fühlte sich im Gegenzug an "absurdes Theater" erinnert. Es sei unbegreiflich, welche Ausflüchte die Opposition benutze, "um die Finanzlage der Stadt schlechtzureden". Die Tilgung von Schulden sei kein Buchungstrick, sondern mit "real existierendem Geld" erfolgt - aus Überschüssen in der Stadtkasse. "Es wird Ihnen nicht gelingen, Plus und Minus durcheinanderzubringen", erklärte der OB an die Adresse der CSU.

SPD-Fraktionschef Alexander Reissl und Grünen-Finanzsprecher Florian Roth lieferten Ude Schützenhilfe im großen Stadt-Land-Konflikt und referierten ausführlich die Unterschiede zwischen städtischem und staatlichem Haushalt: München mit mehr als einer halben Million Euro Schuldentilgung - während aus dem zehnmal so großen Haushalt des Freistaats gerade mal 250 Millionen an die Banken zurückflössen.

"Ein arges Missverhältnis", wie Reissl findet. Und ein Grund, sich "kluge Ratschläge" aus der Staatsregierung zu verbitten. Zumal, wie Stadtkämmerer Ernst Wolowicz assistiert, die 250 Millionen bislang nur eine Absichtserklärung für 2012 seien. Ob das hinhaut, werde sich erst noch zeigen. München dagegen habe die angekündigten 550 Millionen tatsächlich getilgt.

Gut möglich, dass sich der Schaukampf über mehrere politische Ebenen noch bis zur Landtagswahl im Herbst 2013 hinzieht. Ude hatte seine Taktik, die positive Bilanz der Stadt dem politischen Vermächtnis Seehofers entgegenzustellen, bereits Anfang September nach seiner Rückkehr aus dem Mykonos-Urlaub angekündigt. Die CSU hat sich vorgenommen, entschieden zu kontern. Die ganz harte Linie will jedoch zumindest Schmid vorerst nicht fahren. Bei der Analyse der Probleme, so erklärte er am Rande der Sitzung, sei man sich oft einig mit der SPD. Aber leider dauere bei Ude die Problemlösung viel zu lang.

© SZ vom 15.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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