Wahlfach:Kunststücke auf dem Stundenplan

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Zwei "Movimentos" schultern ihren Trainer Stefan Eberherr. Johannes Böhringer (links) studiert inzwischen auf der Zirkusschule in Rotterdam. (Foto: Bastian Singer)

Der Lehrer Stefan Eberherr hat am Gymnasium Grafing die Zirkusgruppe "Movimento" gegründet und organisiert das Kindervarieté-Festival "Talents"

Von Barbara Hordych, München

Was unterscheidet die Zirkuskünste vom Ballettunterricht, vom Eishockey- oder Fußballsport? "Diese Sportarten haben ein eindeutiges Anforderungsprofil", sagt Stefan Eberherr. "Wer da nicht reinpasst, hat kaum eine Chance auf Erfolg. Das ist bei den Zirkuskünsten anders: Da gibt es immer eine Nische, jedes Kind kann mit einer spannenden Aufgabe aufgefangen werden." Ein "zu dick, zu dünn, zu groß oder zu klein" existiere nicht.

Eberherr weiß, wovon er redet. Er hat an der LMU und TU Mathematik und Sport studiert, belegte aber auch das Ergänzungsfach "Bewegungskünste". Letztere faszinierten ihn so sehr, dass er später als Lehrer am Gymnasium Grafing neben dem Mathe- und Sportunterricht auch das Wahlfach "Zirkus- und Bewegungskünste" anbot. Die von ihm betreute Gruppe "Movimento" umfasst 300 Schüler aus allen Altersstufen. Die kann der 47-jährige Lehrer natürlich nicht alleine trainieren, "da bin ich auf Hilfe von ehemaligen Schülern und externen Künstlern angewiesen".

Eine dieser ehemaligen Schülerinnen sitzt neben ihm im Literaturhaus-Café, die 22-jährige Leonie Obermayr. Sie ist auf einen Sprung vom Bayerischen Hof herübergekommen, wo sie kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau steht. Sie wirkte nur kurz als Akrobatin bei Movimento mit, weil sie schnell merkte, dass sie der Backstagebereich mehr fasziniert. "Ich habe choreografiert, Regie geführt und die Auftritte organisiert." Zudem half sie seit 2013 bei der Vorbereitung von "Talents", dem alljährlich stattfindenden Bayerischen Kinder-und-Jugendvarietéfestival.

Das findet heuer am 26. Juli zum fünften Mal im Gop-Varieté-Theater statt: auf einer großen Bühne, mit professioneller Licht-und Soundtechnik. Gop-Kreativchef Werner Buss und die stellvertretende Direktorin des Münchner Gop-Hauses, Nicola Wucher, sind engagierte Partner bei der Ausrichtung dieses Wettbewerbs. Jedes Jahr gehen durchschnittlich 40 Bewerbungen per DVD von Zirkusgruppen aus Vereinen oder Schulen in ganz Bayern ein. Stefan Eberherr schreibt die Schulen an, gemeinsam mit Leonie Obermayr trifft er dann eine Vorauswahl, die endgültige Entscheidung für gut zehn Wettbewerbsdarbietungen - von Jonglage über Luftartistik bis zu Handstandakrobatik und Parcours - erfolgt zusammen mit den Gop-Partnern. Bewertet wird nicht nur die Technik, sondern auch die Kreativität und die jeweilige Ausstrahlung der Nachwuchsartisten im Alter von zehn bis 19 Jahren. "Wir achten darauf, eine gute Mischung zusammenzustellen: vom Alter, aber auch von den Darbietungen her - fünfmal Keulenjonglage, das geht halt nicht", erklärt Obermayr. Das Wettbewerbsprogramm wird einmalig vor Publikum im Gop aufgeführt. Auf die Gewinner wartet außer Gutscheinen für Zirkuszubehör oder Workshops bei Profikünstlern ein Auftritt in einer regulären Gop-Premiere.

Zwei Schüler und langjährige "Movimentos" haben sich übrigens nach ihrem Abitur entschlossen, ihr Hobby zum Beruf zu machen: Johannes Böhringer studiert im ersten Jahr an der Zirkusschule in Rotterdam und Julia Ladner absolviert eine Tanzausbildung bei Iwanson in München. Sie ist auch eine derjenigen, die mit ihrer Expertise dem Movimento-Nachwuchs an ihrer alten Schule zur Seite steht. Genau so wie Eberherrs ehemaliger TU-Dozent einmal in der Woche beim Training im Gymnasium Grafing hilft. "Er ist inzwischen über 70 Jahre alt, führt aber immer noch mit mir die Akrobatikübungen vor - und die Kinder lieben ihn", sagt Eberherr.

Seine drei Töchter sind ebenfalls aktive Movimentos. Alle drei haben sich in diesem Jahr für Talents beworben: Lena und Lisa mit Akrobatik- beziehungsweise Vertikaltuchnummern, die jüngste, Lara, mit einer Trapez-Nummer. "Ein Solo dieses Mal", sagt ihr Vater in Anspielung auf die etwas unglückliche Erfahrung seiner Tochter von vor drei Jahren: Die damals Elfjährige sollte mit einer Doppel-Trapeznummer im Gop auftreten. Aus der unverhofft eine Solonummer wurde, weil ihr Partner sich kurz vorher beim Fußballspiel den Finger ausgerenkt hatte.

© SZ vom 11.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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