Wachstumsregion:Kommunen haben Angst vor dem Boom

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München boomt, immer mehr Menschen zieht es in die Stadt und das Umland. Genau das bereitet vielen Politikern große Sorge. Sie haben genug von Wachstum um jeden Preis - und kritisieren die Zukunftspläne der Staatsregierung.

Christian Krügel

Die Region München boomt, der Zuzug aus ganz Deutschland ist ungebrochen - und er wird sich fortsetzen. Für die nächsten 20 Jahre rechnen die Landesplaner mit bis zu 300.000 zusätzlichen Einwohnern in Stadt und Umland. Doch dieses Wachstum bereitet zunehmend Sorgen. Umweltverbände haben bereits im vergangenen Jahr eine Initiative gegen Flächenverbrauch gestartet. Im Großraum gibt es inzwischen rund 20 Bündnisse, in denen sich Bürger auf lokaler und regionaler Ebene mit dem Thema auseinandersetzen. Und auch Bürgermeister aus der Region warnen vor den Folgen des Booms.

Bis 2022 werden etwa 300.000 Menschen mehr in München und den Umlandgemeinden leben. Einige Politiker betrachten das Wachstum der Region mit Sorge. (Foto: Robert Haas)

Ich glaube nicht, dass wir jede Form von Wachstum brauchen. Ist es gottgegeben, dass 300.000 Menschen zu uns zuziehen werden?", fragt zum Beispiel Herbert Kränzlein (SPD), Bürgermeister der 20.000-Einwohner-Stadt Puchheim. Anlass für seine Kritik ist das neue Landesentwicklungsprogramm, kurz LEP. Das bayerische Wirtschaftsministerium hatte dieses Programm ausgearbeitet, das die Leitlinien für alle Wirtschafts-, Siedlungs- und Verkehrspolitik sein sollte. Das LEP wurde im Mai vorgelegt, bis zum 21. September sollen die Kommunen Stellung nehmen.

Doch es hagelt Kritik: Kränzlein und seine Bürgermeister-Kollegen aus München und dem Umland beklagen zum einen, dass niemand in so kurzer Zeit eine qualitative Bewertung zu Leitlinien abgeben könne, die 15 Jahre halten sollen. "Das in so kurzer Zeit durchzujagen, ist schlichtweg ein Skandal", schimpfte etwa der Grafinger Bürgermeister Rudolf Heiler (Freie), zugleich Vorsitzender des oberbayerischen Gemeindetags, in einer Sitzung des Regionalen Planungsverbandes (RPV).

Zum anderen geht es um die Inhalte des LEP: Nirgends sei zuvor diskutiert worden, wie viel und welches Wachstum die Region München eigentlich wolle, so Kränzlein. "Wollen wir etwa jedem Wunsch nach einem neuen Gewerbegebiet nachgeben?", fragte er. Das LEP sei "unglaublich simpel gestrickt", "mutlos und kraftlos".

Das sieht Christian Breu, Geschäftsführer des RPV, durchaus ähnlich - allerdings aus ganz anderer Perspektive. Für ihn sei in dem Programm viel zu wenig klar herausgearbeitet worden, dass der Großraum München auch in Zukunft wachsen und der Motor für die wirtschaftliche Entwicklung Bayerns sein werde. Er legte den Mitgliedern des RPV deshalb eine Stellungnahme zum LEP vor, die weiteres Wachstum in der Region gezielt vorsieht - selbst dort, wo das Wirtschaftsministerium Grenzen setzen möchte. So sieht der Entwurf des Ministeriums etwa den Grundsatz vor, dass erst in den Innenbereichen der Städte alle Flächen für Wohn- und Gewerberaum genutzt werden sollen, ehe neue Flächen außerhalb erschlossen werden.

Das sieht Breu aber anders: "Es muss im Wachstumsraum München möglich sein, auch ganz neue Stadtteile anzulegen", hatte er dem RPV-Planungsausschuss als Stellungnahme vorgeschlagen. Doch eine klare Mehrheit der Kommunalpolitiker lehnte das in der Sitzung ab. Boris Schwartz, Grünen-Stadtrat aus München, warnte davor, Grünzüge dem Wachstum zu opfern, Dachaus Vize-Landrätin Eva Rehm (CSU) sieht das Verhältnis zwischen Naherholung und Wirtschaftsinteressen ungeklärt. Und selbst Michael Mattar, Chef der Münchner FDP-Stadtratsfraktion und erklärter Befürworter wirtschaftlichen Wachstums, warnte: "Es bringt dem Rest Bayerns nichts, eine starke Region zu schwächen. Aber wir dürfen unseren Großraum auch nicht noch weiter zersiedeln."

Die Debatte um den Großraum wird sich in den nächsten Monaten fortsetzen: Der Planungsverband Äußerer Wirtschaftsraum möchte alle Initiativen, die sich mit dem Thema befassen, und Kommunalpolitiker an einen Tisch bringen und über Konzepte beraten, wie der Boom zu bewältigen ist.

© SZ vom 25.07.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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