Vorwurf:"Es gibt eine große Solidarität"

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Anwältin Angelika Lex fordert klare Trennung bei Ermittlungen

Interview von Bernd Kastner

Die Münchner Rechtsanwältin Angelika Lex beschäftigt sich seit Jahren mit Fehlverhalten im Polizei- und Justizapparat.

SZ: Wie bewerten Sie die Aufarbeitung von Fehlern von Polizisten?

Angelika Lex: Die findet in einem völlig anderen Umfeld statt als die Aufklärung von Taten anderer Bürger. Wir haben die Besonderheit, dass Kollegen des mutmaßlichen Täters diese Aufklärung betreiben sollen. Zwischen ihnen gibt es aber ein massives Näheverhältnis. Man gehört zur selben Berufsgruppe, teilt dieselben Erfahrungen im Umgang mit einer vielleicht schwierigen Klientel. Es gibt eine große Solidarität, die sich in den Ermittlungen niederschlägt.

Die Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens ist eine separate Behörde.

Ja, aber auch die ist auf gute Zusammenarbeit mit der Polizei angewiesen. Und sie stellt Ermittlungen häufig ein, weil das bisherige Ergebnis nicht für den Tatnachweis geeignet erscheint.

Trotzdem kommt es immer wieder zu Anklagen.

Natürlich gibt es auch Fälle, in denen korrekt ermittelt und entsprechend geurteilt wird. Vor Gericht mache ich aber immer wieder die Erfahrung, dass enorm hohe Anforderungen an den Tatnachweis gestellt werden. Und beim Strafmaß wird oft auch nicht mit demselben Maß gemessen. Wenn Polizisten als Zeugen aussagen müssen vor Gericht, dann können sie sich auf die Befragung vorbereiten, indem sie das, was sie während der Ermittlungen zu Protokoll gegeben haben, nochmals lesen. Andere Zeugen haben diese Möglichkeit nicht. Außerdem habe ich den Eindruck, dass Angaben von Polizeibeamten eine höhere Glaubwürdigkeit eingeräumt wird. Dabei können sich Polizisten genauso wie andere Zeugen irren.

Oft steht Aussage gegen Aussage.

Das ist die Regel. Polizisten haben die Möglichkeit, sich vor ihrer Aussage abzusprechen. Sie sind auch mit der Technik der Zeugeneinvernahme vertraut, sie wissen, was sie wie schildern müssen, um glaubwürdig zu wirken. Immer wieder gibt es von unterschiedlichen Beamten gleichlautende Formulierungen. Oft schreibt einer zunächst einen Bericht über einen Vorfall, der dann Grundlage ist für Kollegen, sich daran zu erinnern. Bei anderen Zeugenkonstellationen, wenn Freunde oder Ehepartner aussagen, wird deren Angaben wegen ihrer Nähe ein geringeres Gewicht eingeräumt. Bei Polizisten heißt es: Wenn drei identisch aussagen, dann muss es stimmen.

Der Innenminister hat auf Kritik reagiert und vor zwei Jahren die internen Ermittlungen ins Landeskriminalamt verlegt, weg von den Präsidien vor Ort.

Das ist ein richtiger Anfang, und ich habe mit dieser Dienststelle auch schon gute Erfahrungen gemacht. Die Ermittler dort bemühen sich. Sie können aber auch nicht verhindern, dass es Absprachen gibt unter Polizisten. Oft vermisse ich kritische Nachfragen seitens der Ermittler.

Was schlagen Sie vor?

Es wäre zu überlegen, eine aus dem Polizeiapparat herausgelöste Stelle zu schaffen für Ermittlungen gegen Polizisten.

Egal welche Polizisten ermitteln, die örtliche Staatsanwaltschaft hat das Sagen. Es ermittelt also ein Münchner Staatsanwalt gegen einen Münchner Polizisten.

Das ist ein weiteres großes Problem. Die im Alltag nötige konstruktive Kooperation mit den Beamten ist gestört, wenn gegen eine Person ermittelt wird, mit der man sonst zusammenarbeitet. Es müsste gewährleistet sein, dass es keine persönlichen Beziehungen keine Zusammenarbeit im Alltag gibt.

Würde es helfen, eine andere Staatsanwaltschaft zu beauftragen? Dass für Fälle in München beispielsweise Nürnberg zuständig wäre?

Ein Teil der Fehlerquellen ließe sich so reduzieren. Präventiv wichtig aber ist, dass die Polizeiführung klare Vorgaben macht: Unrechtmäßige Gewalt im Dienst ist nicht geduldet. Statt einer Solidarisierung muss es eine Stigmatisierung geben. Und ein Polizist, der verurteilt ist und keine Einsicht ins Unrecht zeigt, hat im Polizeidienst nichts mehr zu suchen.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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