Vorschlag-Hammer:Burn it V

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Dass ausgerechnet Dirigenten von Weltruf dafür gesorgt haben, dass zwei der weltbesten Konzertsäle Münchens nicht wieder aufgebaut, sondern entweder zweckentfremdet oder ganz abgerissen worden sind, erschüttert

Von Harald Eggebrecht

Apropos gut klingende, auch noch ästhetisch-architektonisch ansprechende Konzertsäle: Wer in den Fünfziger- und Sechzigerjahren in München debütierte, mochte er auch Preise gewonnen haben oder mit anderen Vorschusslorbeeren ausgezeichnet sein, der musste oft im für musikalische Zwecke fürchterlichen, auch sonst sehr ernüchternden Sophiensaal antreten mit gut 350 Plätzen. 1943 erbaut, diente das ganze Gebäude zuerst dem "Oberfinanzpräsidenten München". Nach dem Krieg hielt die Militärregierung hier auch Militärgerichtsverhandlungen ab. Für all das kann man sich den Saal bestens vorstellen, aber Musiker spielten in dieser Halle kleingläubig und verzagt. Der Sophiensaal war nach 1945 einer der wenigen intakt gebliebenen Veranstaltungsräume. In Erinnerung bleibt er wegen seiner Antiatmosphäre.

Dass ausgerechnet Dirigenten von Weltruf dafür gesorgt haben, dass zwei der weltbesten Konzertsäle nicht wieder aufgebaut, sondern entweder zweckentfremdet oder ganz abgerissen worden sind, erschüttert. Als der großmächtige Franz Josef Strauß in seiner ersten Regierungserklärung als Ministerpräsident verkündete, das Odeon wieder herstellen zu wollen, war ganz Musik-München erwartungsfreudig. Als aber FJS als kompetenten Fachmann Wolfgang Sawallisch befragte, meinte der, das Odeon sei für heutige Orchesterkonzerte zu klein und daher eine Wiederherstellung nicht sinnvoll. Gewiss, für den aktuell angestrebten neuen Konzertsaal für Symphonieorchester wäre das Odeon zu klein, aber als Kammermusikraum mit wahrlich denkwürdiger Geschichte wäre er einzigartig, nicht nur für München. Der andere Unglücksvogel war Franz Konwitschny, der den gebürtigen Leipziger Walter Ulbricht daran hinderte, das legendäre Gewandhaus, eine Ruine wie das Münchner Nationaltheater oder die Dresdner Semperoper, nach dessen Vorbild nahezu alle wichtigen Säle des späteren 19. Jahrhunderts von Boston bis Wien errichtet wurden, wieder aufzubauen.

Bis wir also das Odeon wieder haben und den neuen Konzertsaal sowieso, gehen wird in den Gasteig etwa zum eleganten Amerikaner Joshua Bell, der mit den Münchner Philharmonikern unter Paavo Järvi das Tschaikowsky-Violinkonzert spielt (19.4.). Oder wir versuchen unser Glück im Herkulessaal, wenn dort das empfindsame J erusalem Quartet auftritt und Werke von Haydn, Schulhoff und Schumann vorträgt (23. 4.)

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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