Verluste der Kirche:Verrechnet

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Die Abschlussrechnung zum Finanzskandal ist da: Für das evangelische Dekanat unter Barbara Kittelberger geht der Blick nun wieder nach vorne. (Foto: Catherina Hess)

Die evangelische Kirche hat bei Anlagegeschäften wohl weniger verloren als befürchtet. Allerdings folgt auf die Präsentation der Bilanz ein unerwarteter Eklat

Von Jakob Wetzel, München

Es wäre eine gute Nachricht für das klamme evangelische Stadtdekanat: Die Kirche hat zwar viel Geld verloren, aber offenbar doch weniger, als ursprünglich befürchtet. Im Frühjahr 2014 war bekannt geworden, dass das Stadtdekanat 12,9 Millionen Euro in Firmen investiert hatte, die jetzt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckten oder bereits insolvent waren. Wie groß der Schaden genau war, blieb vorerst unklar - bis jetzt: Am Dienstagabend legte die Kirchenverwaltung ihre Abschlussrechnung vor. Dieser zufolge beträgt der tatsächliche Verlust nur 6 Millionen Euro. Effektiv sei dem Dekanatsbezirk sogar lediglich ein Schaden in Höhe von 3,1 Millionen Euro entstanden, heißt es.

Die unterschiedlichen Summen rühren daher, dass die Finanzleute der Kirche berechnet haben, welcher Schaden nicht einfach nur aus den Insolvenzen, sondern insgesamt aus den riskanten Anlagen entstanden ist. Deshalb bezogen sie die vergleichsweise hohen Zinsen jener Anlagen mit ein: Sie verglichen sie mit jenen niedrigeren Zinsen, die bei konventionellen Anlagen zu erwarten gewesen wären. Die so errechneten Mehreinnahmen von 1,9 Millionen Euro zogen sie vom Gesamtverlust ebenso ab wie eine weitere Million, welche die evangelische Landeskirche dem Dekanat als "Stabilisierungszuschuss" überwiesen hatte, nachdem die Misere bekannt geworden war. Dieses Geld ist zwar ebenfalls verloren, den Schaden trägt aber die Landeskirche. Der Schaden des Dekanats schrumpft damit auf 3,1 Millionen Euro.

In den Augen des Münchner Dekanatsbezirks ergibt diese Rechnung einen gewissen Sinn; dennoch sorgte sie auf der Sitzung der Dekanatssynode für einen Eklat. Hans-Alexander von Benckendorff, ehemaliger Bankvorstand und nun stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses der Synode, legte aus Protest nicht nur seinen Sitz im Ausschuss, sondern auch sein Amt als Synodaler nieder. Er vermisse Transparenz, sagte er. Die genannten Zahlen seien fragwürdig; die Verluste lägen eigentlich viel höher. So seien etwa bereits bei der Berechnung der Gesamtsumme von 6 Millionen Euro Entschädigungszahlungen von Versicherungen berücksichtigt worden, um die Zahl zu senken. Nötig sei ein neutrales Gutachten, ein solches liege aber nicht vor.

Die im Abschlussbericht der Kirchenverwaltung genannten Summen seien politisch motiviert, sagte von Benckendorff später. Detailliert wolle er nicht auf die Zahlen eingehen. Doch wohinter er nicht stehen könne, das wolle er auch nicht unterschreiben. Deshalb habe er für sich persönlich die Konsequenzen gezogen.

Die verbliebenen Mitglieder der Synode reagierten überrascht auf den Rücktritt. Den Vorwurf der Intransparenz wiesen mehrere Synodale zurück. Er persönlich habe auch keinen Grund, an den Zahlen zu zweifeln, sagte der Vorsitzende des Finanzausschusses Eike Schulz. Man könne zwar sicher auch anders rechnen, die Zahlen seien aber nachkontrollierbar. Christian Stalter, Pfarrer der Thomaskirche in Grünwald, in der auch von Benckendorff engagiert ist, regte eine unabhängige Überprüfung der Abschlussrechnung an. Einen Beschluss dazu fasste die Synode nicht.

Die Kirche blickt nun nach vorn. Der Dekanatsbezirk verfüge noch über 14 Millionen Euro an eigenen Rücklagen, sagte der zuständige Abteilungsleiter Franz Krammer. Eine Sparrunde käme auf die Kirche nicht zu, erklärte Stadtdekanin Barbara Kittelberger. Betroffen seien nur die Rücklagen, und zwar ausschließlich die des Dekanatsbezirks, nicht die der Kirchengemeinden. Auch während der vergangenen Jahre schon habe die Kirche stets alle inhaltlichen Aufgaben erfüllen können. Kürzungen seien nicht nötig.

Die Anlageverluste des Dekanats hatten 2014 überegional Aufsehen erregt. Laut Kirche hatte ein Abteilungsleiter mehrfach seine Kompetenzen überschritten; zudem hatten die Kontrollinstanzen versagt. In der Kirchenverwaltung wurden daraufhin zwei Funktionäre ihrer Posten enthoben. Stadtdekanin Kittelberger verlor nach einem von ihr selbst angestrengten Disziplinarverfahren die Aufsicht über das Kirchengemeindeamt. Die Rücklagen werden mittlerweile zentral von der Landeskirche verwaltet, die zusätzlich ihre Richtlinien verschärft hat. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den früheren Abteilungsleiter seien noch nicht abgeschlossen, heißt es von der Kirche.

© SZ vom 01.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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