Verkehrsforscher:Raus aus der Nische

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Klaus Bogenberger ist Professor für Verkehrstechnik an der Bundeswehr-Universität in Neubiberg. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Interview von Marco Völklein, München

Klaus Bogenberger forscht an der Bundeswehr-Universität in Neubiberg zu Fragen der zukünftigen Mobilität. Er glaubt: Carsharing wie Radl- oder Vespa-Verleih haben eine große Zukunft.

SZ: Warum sind Sie so optimistisch?

Klaus Bogenberger: Es gibt eine Gruppe von Menschen, insbesondere in den Städten, die ist multimodal unterwegs. Die Leute steigen heute in die U-Bahn, nutzen morgen das Fahrrad, fahren übermorgen mit einem Carsharing-Auto. Je nachdem, was ihnen am bequemsten, praktischsten, vielleicht auch am günstigsten erscheint. Dieser Trend wird sich deutlich verstärken.

Bislang findet Carsharing aber nur in einer Nische statt.

Auf die Gesamtbevölkerung gerechnet: sicherlich. Aber bei den unter 40-Jährigen spielen Carsharing, Fahrradverleih, Mitfahrzentralen eine große Rolle. Die jungen Leute sind sehr technikaffin, die haben keine Scheu, ein Auto per Smartphone zu buchen und zu öffnen. Und sie sind es gewohnt, ihre Mobilitätskette aus verschiedenen Bausteinen zusammenzufügen.

Kritiker fürchten, Busse und Bahnen könnten darunter leiden, wenn zu viele ins Carsharing-Auto umsteigen.

Ich glaube nicht, dass es eine dauerhafte Entwicklung weg vom öffentlichen Nahverkehr geben wird. Es kann zwar schon sein, dass mal eine Carsharing-Fahrt eine Fahrt mit der U-Bahn ersetzt. Aber deswegen schafft keiner seine MVV-Monatskarte ab. Zumal das auch eine Frage des Preises ist: Insbesondere Free-Float-Carsharing ist ja kein ganz billiges Vergnügen.

Besteht wirklich Hoffnung, dass neue Mobilitätsformen dazu führen, dass letztlich weniger Autos herumfahren?

Ich denke schon, auch wenn das natürlich ein sehr langer Prozess sein wird. Wer zweimal mit einem Carsharing-Auto unterwegs war, wird sicher nicht sofort sein Auto abschaffen. Aber es gibt Tendenzen, dass ein geplanter Zweit- oder Drittwagen nicht mehr gekauft wird. Und diese Tendenzen werden sich verstärken.

Wirklich nachhaltig wären all diese Angebote aber doch nur, wenn sie komplett auf Elektromobilität setzen würden.

Das stimmt. Langfristig wird das auch geschehen. Vielmehr noch: Carsharing wird ein Multiplikator für das E-Auto. Unsere Untersuchungen zeigen, dass E-Carsharing-Autos genauso genutzt werden wie Carsharing-Fahrzeuge mit herkömmlichem Antrieb. Es gibt da keine Hemmschwelle mehr, keine Reichweitenangst. So haben die Leute die Möglichkeit, E-Autos kennenzulernen, sich mit der Technologie vertraut zu machen. Und je mehr E- Carsharing-Autos es gibt, desto mehr sinkt für die Städte die Gefahr, dass ihre teure Ladeinfrastruktur am Ende nicht genutzt wird.

© SZ vom 27.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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