Verhandlung:Flughafen-Baby: Mutter belastet

Lesezeit: 1 min

Ärztin und Gutachterin gehen von einer regulären Geburt aus

Von Peter Becker

Hat die Erzieherin, die vor gut einem Jahr ihr Baby in einer Kloschüssel am Münchner Flughafen zurückließ, dieses zuvor normal zur Welt gebracht? Das ist eine der Kernfragen des Prozesses gegen die 24-Jährige, die des versuchten Totschlags angeklagt ist. Am Donnerstag schlossen ein Sachverständiger und eine Ärztin zumindest aus, dass sich die Plazenta der Frau vorzeitig abgelöst hatte, sie gehen also von einer regulären Geburt aus.

Die Ärztin hatte die Beschuldigte im Heidenheimer Klinikum auf eine Schwangerschaft hin untersucht. Obwohl die junge Frau abstritt, jemals Kinder bekommen zu haben, stellte die Ärztin an Muttermund und Gebärmutter eindeutige Indizien für eine Schwangerschaft fest, wie sie vor dem Landshuter Landgericht erläuterte.

Nach Ansicht des Sachverständigen hätte der Hämoglobingehalt im Blut bei einer vorzeitigen Plazentaablösung extrem niedrig sein müssen. Er sei aber bei der Mutter unauffällig gewesen, urteilte der Spezialist für Frauenheilkunde am Münchner Klinikum rechts der Isar. Die Ärztin und er schlossen deshalb eine vorzeitige Ablösung der Plazenta aus, weil diese mit großem Blutverlust und einem Todesangst auslösenden "Vernichtungsschmerz" verbunden gewesen wäre. Nach Aussagen des Mediziners wäre die Angeklagte allein schon wegen des drohenden Kreislaufkollapses nicht mehr fähig gewesen, die Toilette vom Blut zu reinigen, so wie sie es getan hat. Die Plazenta müsse sich also ganz normal nach der Geburt des Kindes gelöst haben - in der Kloschüssel lag sie freilich unter dem Kind. Aus dessen verdrehter Lage in der Schüssel schließt der Experte, dass die Beschuldigte ihre Tochter zumindest einmal in der Hand gehabt hat. Anders könne er sich diese nicht erklären. Der Prozess gegen die Erzieherin läuft seit Anfang Mai; für diesen Freitag sind die Plädoyers vorgesehen. Das Kind lebt heute bei einer Pflegefamilie.

© SZ vom 24.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: