Nach Farbattacken:So geht die Bahn gegen Chaoten vor

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Gleich 88 S-Bahn-Züge wurden beschmiert - ein Drittel des gesamten Bestands. (Foto: N/A)
  • Nach den Farbattacken auf 88 S-Bahn-Züge ist der Großteil der Wagen inzwischen wieder gereinigt.
  • Etwa 1,8 Millionen Euro wendet die Münchner Verkehrsgesellschaft pro Jahr für die Beseitigung von Vandalismusschäden auf.
  • Schmierereien, Scratching und aufgeschlitzte Polster sind allerdings oft schwer zu ahnden.

Von Marco Völklein

Wolfgang Hauner ist guter Dinge. Die Ermittlungen zu den Farbattacken auf insgesamt 88 S-Bahn-Züge vor gut einer Woche laufen. 15 Zeugen hätten sich gemeldet, sagt der Sprecher der Bundespolizeiinspektion am Hauptbahnhof. Darunter seien "ein bis zwei vielversprechende Hinweise". Denen gehen seine Kollegen nun nach.

Die Deutsche Bahn (DB) als Betreiberin der S-Bahn hat mittlerweile den Großteil der 88 Züge wieder gereinigt. Die Putztrupps hätten im Drei-Schicht-System gearbeitet, sagt ein Bahnsprecher. "Bis Ende der Woche werden wir alle Fahrzeuge gereinigt haben."

Doch das alles ist nicht gerade billig. Etwa 800 000 Euro wendet die S-Bahn nach eigenen Angaben pro Jahr für die Beseitigung von Vandalismusschäden an ihren 253 Triebwagen auf; bei der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG), die einen deutlich umfangreicheren Fuhrpark betreibt und dazu noch Haltestellen, Strecken und Bahnhöfe unterhält, waren es zuletzt 1,8 Millionen Euro pro Jahr. Die Summe liege seit Jahren in etwa auf diesem Niveau, sagt MVG-Sprecher Matthias Korte - trotz ständig steigender Fahrgastzahlen.

Nahverkehr
:Farbattacken auf 88 S-Bahnen

Sie warfen Farbbeutel und besprühten die Züge am Bahnsteig: Unbekannte haben in einer Nacht mehr als jede dritte Münchner S-Bahn beschmiert.

Video-Aufzeichnungen helfen bei der Ermittlung

Neben Farbschmierereien an der Außenhaut der Züge haben die Unternehmen vor allem mit Schäden im Innenraum der Fahrzeuge zu kämpfen. "Scratching", also das Einritzen von Schriftzeichen und Symbolen in Glasscheiben, sei immer wieder ein Thema, sagt der Bahnsprecher. Allein für die Behebung dieser Schäden gehe bei der DB etwa eine halbe Million Euro pro Jahr drauf. Sitzpolster werden aufgeschlitzt, Aufkleber in den Waggons verteilt, ergänzt MVG-Sprecher Korte. Auch Automaten, Fernsprech- und Signalanlagen seien vor den Chaoten nicht sicher.

Erst am Sonntagmorgen stellte ein DB-Mitarbeiter in Moosach fest, dass Unbekannte in der Nacht die Glasscheiben von sieben Schaukästen auf drei Bahnsteigen sowie im Personentunnel eingeschlagen hatten. Den Schaden beziffert die Bundespolizei auf 2800 Euro. Die Beamten suchen nun Zeugen, um die Täter zu dingfest zu machen.

Schäden müssen schnell wieder weg

Immer öfter können die Ermittler dabei auch auf Videoaufzeichnungen zugreifen. Die MVG hat sämtliche ihrer 100 Bahnhöfe damit ausgestattet, auch in allen S-Bahnen und vielen MVG-Fahrzeugen wird gefilmt. Zudem sind die Unternehmen bemüht, Schäden möglichst rasch zu beseitigen, um mögliche Nachahmer nicht noch zu ähnlichen Taten zu verleiten.

Bei 88 beschmierten S-Bahnen allerdings - das ist immerhin jedes dritte Fahrzeug - zog sich die Beseitigung der Farbschmierereien eine ganze Weile hin. Außerdem schicken beide Unternehmen Sicherheitsleute los, zum Teil auch in Zivil, um die Übeltäter möglichst noch auf frischer Tat zu ertappen. So habe die U-Bahn-Wache im vergangenen Jahr etwa 2000 Fälle von Vandalismus bei der Polizei angezeigt, zählt MVG-Sprecher Korte auf. "Gut 90 Täter konnten überführt werden."

Allein die Wachen zeigen Tausende Fälle an

Doch die Ermittler stoßen dabei mitunter auch an Grenzen. So manchem Bahner sind noch die Erlebnisse aus dem Dezember 2011 in Erinnerung: Beim "Abschiedstrinken" in der S-Bahn wurden 50 Fahrzeuge beschädigt, S-Bahn-Chef Bernhard Weisser bezifferte den entstandenen Schaden damals auf 100 000 Euro.

Der Anlass für die Randale: Kurz vorher hatten Bahn und MVV beschlossen, dass künftig kein Alkohol mehr in den S-Bahnen konsumiert werden darf. Daraufhin kursierten Aufrufe im Internet, in der Nacht vor dem Inkrafttreten des Verbots es doch noch einmal kräftig Krachen zu lassen. Was einige allzu wörtlich nahmen: Demolierte Abdeckgitter und herausgerissene Deckenverkleidungen waren die Folgen.

Die Bundespolizei zeigte damals etwa ein Dutzend Tatverdächtige an. Wie viele davon verurteilt wurden, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Die Bundespolizei hat keine Daten dazu, auch die Staatsanwaltschaften können die Frage nicht beantworten. Die Bahn will sich zu den Vorgängen gar nicht äußern. Bundespolizisten aber berichten, dass die Ermittlungen knifflig waren: Denn die Radaubrüder hatten im Getümmel teils auch die Innenbeleuchtung zertrümmert. Deshalb lieferten die Kameras wenig brauchbare Bilder.

© SZ vom 01.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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