Urteil:Messerstecher muss in Psychiatrie

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Paul H. war laut Gericht schuldunfähig, als er einen Menschen tötete und drei weitere verletzte

Von Korbinian Eisenberger

Am Ende wird es doch noch mal laut und hektisch am Rande dieses Prozesses, der trotz aller Emotionen und grausigen Details meist sachlich und respektvoll ablief: Die Szene spielt sich vor dem Gerichtsgebäude ab: Anwalt Florian Alte steht draußen, drinnen hat er kurz zuvor ein flammendes Plädoyer für den Rechtsstaat gehalten, da schreit ihn eine Frau an. "Wie können Sie das nur machen?", ruft sie. Das, damit meint sie die Verteidigung des Messerstechers von Grafing-Bahnhof.

Paul H. muss nicht ins Gefängnis. Angesichts seiner Taten, dem Mord, und den drei Mordversuchen, kommt das manchem womöglich milde vor. Im Gerichtssaal aber sind sich alle einig, der Richter folgt den Anträgen der Ankläger und der Verteidigung und erklärt Paul H. am Donnerstagnachmittag für schuldunfähig. Er ordnet jedoch die dauerhafte Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie an.

Als er in den Morgenstunden des 10. Mai 2016 einen Menschen mit einem Survival-Messer ermordete und drei weitere schwer verletzte, sei er nicht in der Lage gewesen, sich zu steuern, heißt es in der Urteilsbegründung. Es gebe "nicht den geringsten Zweifel" am damaligen Krankheitszustand des 28-Jährigen, so der Richter. Eine "drastische Vergeltungsstrafe" sei daher nicht geeignet. Letztlich sei die dauerhafte Unterbringung in einer geschlossenen Klinik aber "eine der schärfsten Sanktionen, die das Strafrecht kennt".

Paul H. entschuldigt sich im Schlusswort bei seinen Opfern. "Ich wünschte, ich wäre in der Klinik geblieben", sagt er. H. kommt nun zurück in die Psychiatrie. So soll die Allgemeinheit vor ihm geschützt und seine Heilung gefördert werden. "Möglicherweise wird er zu seiner Familie nach Hessen verlegt", sagt sein Verteidiger.

Wie lange Paul H. in der Psychiatrie bleiben wird, ist offen. Die Hürden für seine Entlassung sind jedoch sehr hoch. Erst bei einer eindeutig günstigen Prognose durch forensische Sachverständige ist eine Entlassung auf Bewährung möglich. Der Einschätzung des Richters nach hat H. "mit lebenslangen Konsequenzen zu rechnen". Das Landgericht folgt mit seinem Urteil dem Gutachten des Psychiaters Cornelis Stadtland. Der hatte den 28-Jährigen als schuldunfähig eingestuft. Paul H. habe damals unter einer bipolaren affektiven Störung gelitten, gebündelt mit einer Schizophrenie, was in der Tatnacht eine Art Verfolgungswahn auslöste.

Im Prozess ging es von Anfang an auch um die Opfer, etwa um Johannes B., der seit der Messerattacke halbseitig gelähmt ist. Seine Anwältin Christiane Keil kritisiert, dass ihr Mandant bisher keinerlei Opferentschädigung vom Staat erhalten habe. Dass damit bis nach dem Prozess gewartet werde, sei unverständlich. "Letztlich sind Täter und Tat hinreichend bekannt", sagt Keil. Verteidiger Alte ist der Ansicht, dass ein Systemfehler eine Rolle spielt. "Wir haben es nicht geschafft, Paul H. rechtzeitig unterzubringen und möglicherweise die Tat zu verhindern." Für Alte ist der Fall ein Hinweis, "dass psychische Krankheiten oft nicht ernst genommen werden". Vor der Tat war Paul H. sechsmal in psychiatrischen Kliniken. Eingewiesen wurde er allerdings nie, er entließ sich entgegen ärztlichen Rat immer wieder selbst, auch am Tag vor dem 10. Mai.

© SZ vom 18.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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