Urteil:Entzug für den Messerstecher

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Gericht schickt 32-Jährigen in Therapie - mit Unbehagen

Von Susi Wimmer

Es war ein Urteil, das keinem der Beteiligten so recht behagen wollte: Angehörige des Verurteilten weinten, die Verteidigung hatte sich eine Bewährung erhofft, der Staatsanwalt eine Haftstrafe - und das Gericht tat kund, dass es "größte Schwierigkeiten" damit gehabt hätte, den Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterzubringen. Letztlich wurde Erkan G. wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, die aber in Form einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vollzogen wird. Der heute 32-Jährige hatte in betrunkenem Zustand bei einer Schlägerei in einer Table-Dance-Bar drei Männern ein Messer in den Körper gerammt. Aufsehen erregte das Urteil vor allem deshalb, weil das erste Urteil gegen Erkan G. wegen eines Formfehlers vom Bundesgerichtshof aufgehoben worden war.

Die Tat liegt mittlerweile fast dreieinhalb Jahre zurück. Die Red-Roses-Bar existiert in Altperlach schon gar nicht mehr, dort soll es in der Nacht auf den 1. November 2014 zu der folgenschweren Schlägerei gekommen sein. Erkan G. und ein Freund genehmigten sich dort "einige Jackys", als sie mit einer anderen Gruppe in Streit gerieten. Vor der Türe und später im Treppenhaus gingen die Kontrahenten aufeinander los. Die zweite Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Norbert Riedmann konnte den Tatablauf vor allem aufgrund eines Videos aus der Bar nachvollziehen. Man habe keine Notwehrsituation erkennen können, sagte Riedmann. Erkan G. habe beispielsweise einem der Opfer ein Messer in den Rücken gestochen, als dieses sich im Schwitzkasten seines Freundes befand. Dann stach Erkan G. auf einen zweiten Mann ein und am Ende mehrfach auf ein drittes Opfer. Bei letzterem, so stellte eine Gutachterin fest, hätten die Verletzungen lebensgefährlich ausfallen können.

Für diese Taten hatte die erste Strafkammer Erkan G. im März 2016 zu einer Haftstrafe von achteinhalb Jahren verurteilt. Allerdings hatte die Kammer keinen schriftlichen Geschäftsverteilungsplan festgelegt, der regelt, welche Kammer welches Verfahren verhandelt. Das habe die erste Strafkammer laut Riedmann noch vor der Hauptverhandlung gegen Erkan G. nachgeholt. Allerdings rügte später der Bundesgerichtshof, dass der Plan vor Eingang des Verfahrens hätte vorliegen müssen. Erkan G. kam frei, im November 2017 wurde erneut verhandelt.

Richter Riedmann wertete die "sehr lange Verfahrensdauer" zugunsten des Angeklagten, ebenso sein Geständnis. Probleme haben der Kammer aber die "weichgespülten Voraussetzungen" für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bereitet. Dass Erkan G. ein massives und therapiebedürftiges Alkoholproblem hatte, sei für die Kammer nicht ganz ersichtlich gewesen. Allerdings müssen sich die Gerichtsgutachter an der gängigen Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes orientieren. Deshalb wird Erkan G. in einer Entzugsklinik untergebracht. Dort wird der 32-Jährige, der drei Männer mit dem Messer traktiert hat, bei guter Führung wohl nach zwei Jahren auf Bewährung entlassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 24.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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