Und jetzt?:"Ich schere mich um gar nichts"

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Dieter Blum, Fotograf der Marlboro-Cowboys, über das Rauchen, die Münchner PIN-Party und das Geheimnis guter Bilder

Interview von Philipp Crone, München

Auf 150 000 Euro wird der Wert des Fotos "Low Clearance" von Dieter Blum geschätzt. So viel soll es am Samstagabend bringen, wenn die Freunde der Pinakothek der Moderne (PIN) zu ihrer jährlichen Party in die Rotunde des Museums laden. Solche Preise können den 79-jährigen Fotografen aus Esslingen nicht mehr groß beeindrucken. Zu viel hat er schon erlebt in seinem Beruf. Etwa Künstler, die ihn kopierten und riesige Summen mit den abgewandelten Werken erzielten. Oder dass nur für ihn mal der gesamte Flughafen von Dallas zur Mittagszeit gesperrt wurde. Blum erzählt das und lacht dabei, immer wieder, ganz schnell und kurz. Klingt wie eine Spiegelreflexkamera im Dauerfeuer.

SZ: Herr Blum, am Samstagabend werden Sie bei der Versteigerung eines Ihrer Werke wahrscheinlich große Summen im Saal hören, wie fühlt sich das an? Sie sind immerhin das Top-Los.

Dieter Blum: Hehehe, Top-Los! Da freut sich meine Frau.

Warum?

Weil sie immer schon gesagt hat, dass meine Werke unterschätzt werden. Nun, klar bewegt mich das, aber so richtig auf die Palme bringt es mich auch wieder nicht.

Dann vielleicht der Anlass? Die PIN-Party, Kunstereignis des Jahres in München?

Das schon eher. Für mich ist die Pinakothek der Moderne in der zeitgenössischen Kunst eines der herausragenden Museen. Ich stelle sie gleich neben das MoMA.

Wo Sie auch vertreten sind.

Mit einem Bildband, ja.

Die Bilder der Marlboro-Cowboys sind auf der ganzen Welt bekannt, im Gegensatz zu ihrem Urheber. Stört Sie das?

Nein. Ich finde das eher amüsant. Hier ist es noch immer so: Wenn du aus Deutschland kommst, wirst du eher mit Missachtung gestraft. In den USA ist das ganz anders. Wäre ich Amerikaner, würde man mich noch viel mehr beachten. Ausländer sieht man da eher als faszinierenden Outlaw an, wenn man nicht gerade Gursky heißt, der mich übrigens auch kopiert hat, hehehe.

Eines von Dieter Blums Cowboy-Bildern ist am Samstag das Top-Los bei der Versteigerung auf der Münchner PIN-Party. (Foto: Dieter Blum)

Oder der amerikanische Künstler Richard Prince, der Ihre Bilder bearbeitet und für Millionenbeträge verkauft hat. Auch das stört Sie nicht?

Nein. Ich habe meinen Anwalt einmal gefragt, was ich tun soll. Er meinte: Was willst du machen? Ich: Nichts. Und er: Gut so, denn das kann böse enden.

Wieso?

Es gab für die gesamte Marlboro-Fotografie mit den Cowboys von 1970 bis 2004 insgesamt sechs Fotografen, fünf davon Amerikaner. Einer hat später in den USA wegen einer Kopie geklagt. Das Ergebnis: Er ist im Laufe des Prozesses pleite gegangen.

Wie kamen Sie denn zu dem Cowboy-Job?

Das war 1992. Der Kreativchef für die Werbung bei Marlboro saß in Frankfurt und rief mich an. Er sagte: Ich kenne deinen schlechten Ruf, ich möchte, dass du das übernimmst.

Ihren schlechten Ruf?

Dass ich einfach fotografiere, was ich will. Zu der Zeit war ich bekannt etwa durch einen Fotoband über Afrika, der Furore gemacht hatte, und dadurch, dass Karajan mich gebeten hatte, den Bildband zu 100 Jahre Berliner Philharmoniker zu machen.

Und dann Cowboys. Wie liefen die Shootings ab?

Wir flogen einmal im Jahr für zwei Wochen in die USA zu den schönsten Landschaften. Mit 20 Lkw voller Klamotten, Licht- und Windmaschinen. Dazu 50 Kühe, 22 Pferde und ein Helikopter. Die meisten Bilder entstanden auf einem Privatgelände in Utah, das etwa so groß ist wie Württemberg.

Ein irrer Aufwand.

Es geht noch besser. Ich habe einmal Bilder für American Airlines am Flughafen in Dallas gemacht. Dafür wollte ich aus einem Helikopter fotografieren.

Dieter Blum, 79, fotografierte zwölf Jahre lang für eine Zigarettenmarke rauchende Cowboys. (Foto: Dieter Blum)

Nicht so einfach an dem Ort . . .

Aber ich habe mich durchgesetzt. Wie gesagt, ich schere mich um gar nichts. Das war schon immer so. Die haben zur Mittagszeit den Flughafen für das Shooting gesperrt, und waren danach sehr zufrieden.

In Utah hatten Sie da wohl keine Probleme. Waren das richtige Cowboys?

Ja, die wurden gecastet und ich konnte sie aus einem großen Buch auswählen.

Und was haben Sie mit denen noch gemacht, außer sie auf Pferde zu setzen und sie rauchen zu lassen?

Sie zum Beispiel in einen Badezuber gesetzt und das Wallstreet Journal lesen lassen, oder sie auf Skiern fotografiert.

All das, was man von einem Cowboy nicht erwartet. Warum diese Motive?

Hehehe, da frage ich doch Sie: Was machen Sie, wenn Sie zum Beispiel das Bild für die PIN-Party sehen, den Cowboy an der Garage?

Ich beginne darüber nachzudenken, was der da wohl macht, neben einem Auto.

Sehen Sie, genau darum geht es. Ein gutes Bild wirkt, indem es einem Raum für Fantasie lässt, das ist das Wichtigste.

Auf dem PIN-Los raucht der Cowboy gar nicht. Wird man bei zwei Wochen Marlboro-Shooting im schmackhaften Ambiente nicht zwangsläufig zum Raucher?

Nein. Aber meine drei Töchter, die übrigens auch alle in der Fotografie tätig sind, haben immer gesagt: Du Pharisäer!

Rauchen die?

Ha! Ja! Alle drei!

Dann hat Ihre Werbung ja gewirkt. Wie ist das denn am Samstag, wenn Ihr Los auf eine Rekordhöhe von 200 000 Euro käme, dann wären Sie zumindest in München wohl bald beinahe so bekannt wie Ihre Bilder. Das wäre doch auch ein Moment für ein Foto, oder?

Natürlich, hehehe. Meine Leica M240 habe ich auch immer dabei.

© SZ vom 20.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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