Und jetzt?:Ehrlich wartet am längsten

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Anstelle von Kabeln fand Oliver Jungtäubl, 50, Geldscheine in der Wand: knapp 80 000 Euro. Er übergab das Geld der Polizei und unterschrieb eine Fundanzeige. Trotzdem bekommt der Elektriker keinen Finderlohn. (Foto: Privat)

Kein Finderlohn? Oliver Jungtäubl fand 80 000 Euro in der Wand

Interview von Lena Schnelle, München

Oliver Jungtäubl, 50, wollte einer Arbeitskollegin mit ihrer Herdplatte helfen. Als er die Steckdose öffnete, fand er keine Kabel, sondern rund 80 000 Euro. Als ehrlicher Finder rief er die Polizei an. Er unterschrieb eine Fundanzeige, das Geld ging an das Fundbüro. Dort wies man das Geld dem bereits verstorbenen Vormieter der Krankenschwester zu. Trotzdem bekommt der Elektriker keinen Finderlohn, obwohl ihm drei Prozent des Fundes zustehen würden. Das wären 2410 Euro.

SZ: Waren Sie nicht in Versuchung, das Geld selbst einzustecken?

Oliver Jungtäubl: Gar nicht. Ich kann nicht einfach etwas nehmen, was mir nicht gehört. Das ist ja auch kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat.

Man sagt immer, Ehrlichkeit zahlt sich aus. Stimmt das?

Das ist völliger Blödsinn.

Warum?

Es ist noch nicht mal sicher, ob das Geld wirklich dem verstorbenen Vormieter gehört hat. Die Nachlasspflegerin weigert sich, mir die drei Prozent Finderlohn, die mir gesetzlich zustehen, auszuzahlen. Sie hat mir geschrieben, dass ich mir einen Gerichtsbeschluss holen soll. Vorher würde sie mir keinen Cent auszahlen. Dabei ist der Finderlohn unabhängig davon, wem der Fund gehört.

Was ist mit der Mieterin der Wohnung?

Sie fechtet die Besitzansprüche an. Das heißt, sie beruft sich auf das Schatzfundrecht, bei dem sie 25 Prozent des Fundes bekommen würde. Wenn sie die Klage verliert, möchte sie den Finderlohn ganz für sich alleine haben.

Sind Sie nicht der Finder?

Eigentlich bin ich der alleinige Finder, aber dank meiner eigenen Dummheit habe ich zugelassen, dass die Mieterin auch eine Fundanzeige unterschrieben hat, als die Polizei uns gefragt hat.

Was würden Sie das nächste Mal in einer solchen Situation machen?

Ich würde mich hundertprozentig genauso entscheiden, aber sofort an Ort und Stelle einen Rechtsanwalt anrufen.

Was lernen Sie daraus?

Dass Menschen ihren wahren Charakter offenbaren, sobald es um viel Geld geht. Und für die Ehrlichkeit wird man sogar auch noch belacht.

Belacht?

Ja, schallendes Gelächter unter den meisten Kollegen. Alle haben gesagt, dass ich wahnsinnig wäre, das Geld nicht einzustecken. Das war wie ein Spießrutenlauf.

© SZ vom 01.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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