Und jetzt?:Auf dem Teppich geblieben

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Teppiche waren vor 15 Jahren sehr aus der Mode, nun sind sie als Einrichtungsgegenstände wieder en vogue, sagt Jan Kath. (Foto: Robert Haas)

"Der Preis wird sich in fünf Jahren verdoppeln": Jan Kath, Designer aus Bochum, über die Vorlieben von Anthony Kiedis, den Standort München und seinen Vorschlag für Mario Götze

interview Von Philipp Crone, München

Jan Kath spricht leise und weich. Der 42-Jährige aus Bochum ist Teppich-Designer, und zwar einer, der von Anthony Kiedis angerufen wird, damit er ihm einen Teppich entwirft. Auch wenn Kath gar nicht wusste, wer dieser Mann ist, der Sänger der Red Hot Chilli Peppers. Kath interessiert sich nicht so für Musik, auch nicht so richtig für Fußball, obwohl er einmal die Laufwege seines Heimatvereins VfL Bochum auf einem Teppich verewigt hat. Kath, diese Marke steht in der Branche für neue Ideen, für hochpreisige Design-Teppiche. Und wenn die Teppich-Zunft überleben will, deren Produkte bis vor wenigen Jahren noch als Wertanlage galten und dann ziemlich aus der Mode kamen, dann wegen solcher Unternehmer wie Kath. Das sagt auch Georg Böhmler vom Möbelhaus Böhmler im Tal, wo Kath gerade seine Kollektionen ausstellt und verkauft. "Ich habe vor 15 Jahren für den Teppich schwarz gesehen", sagt Böhmler. "Der Teppich hatte jede Art von Anmut verloren. Dank solcher Designer wie Jan hat sich das sehr geändert." Vor allem, weil nun auch bei Teppichen auf Marken geachtet wird. Böhmler sitzt Kath gegenüber. Der unterbricht ihn allerdings immer wieder, denn wenn es um Teppiche geht, wird er energisch.

SZ: Herr Kath, wozu braucht es denn heute bei Holzböden und Fußbodenheizungen noch Teppiche?

Jan Kath: Ganz ursprünglich hatte das isolatorische Gründe. Den Leuten war es kalt in ihren Zelten. Bei den Jurten in der Mongolei, wo man die vermeintlich ersten Teppiche gut erhalten im Permafrostboden gefunden hat, die mindestens 1200 Jahre alt sind. Vor der Entwicklung des Teppichs hatten sie deshalb schon Filze. Die werden dort und in Ostanatolien auch heute noch zur Isolierung eingesetzt. Diese Kultur stirbt nun aus.

Warum?

Die Handwerker werden immer weniger. Die Gesellschaft hat sich in den vergangenen 30 Jahren so schnell entwickelt. Mit Internet und Mobilfunk sind die Leute jetzt auch in den entlegensten Winkeln verbunden und ein Knüpfer in Ostanatolien kann heute auch Computer zusammenbauen oder im Straßenbau arbeiten. Früher war man Bauer und im Winter hat man aus der Wolle der Tiere Teppiche geknüpft.

Und in Persien?

Persien hat die Sache auf die Spitze getrieben, mit unglaublich aufwendigen Teppichen.

Und dafür gibt es noch einen Markt?

Teppiche waren bis in die Achtzigerjahre ein Statussymbol in Europa. Danach gab es einen Wandel. Die Kinder derjenigen, die auf Perserteppichen aufgewachsen sind, wollten auf keinen Fall mehr so leben. Vor 20 Jahren gab es in Magazinen keine Teppiche mehr zu sehen. Dann ist es einigen Designern gelungen, das Thema wieder salonfähig zu machen.

Weil sie Teppiche entwerfen, die nicht wie Teppiche aussehen.

Weil Teppiche seit zehn Jahren zu Einrichtungsgegenständen geworden sind. Und weil die Kunden das Kulturgut Teppich verinnerlicht haben. Das ist so, als ob Sie zu einem Schreiner gehen und sagen: Ich hätte gerne ein modernes Möbelstück, das auf ganz traditionelle Art hergestellt wurde, als ob es keine Maschinen gäbe. Und weil die Kunden die Temperatur in den Räumen wieder erhöhen. Es ist wieder mehr cosy, nicht mehr so cool, das ist ein internationaler Trend.

Ein Teppich ist heute doch ein Statement, fast ein Kunstwerk zum Teil. Wenn Sie etwa in der aktuellen Kollektion "Erased Heritage" über ein klassisches Muster eine Wolkendecke drüberlegen.

Ich bin ein Kind der Photoshop-Generation und spiele mit verschiedenen Ebenen. Ich stifte damit Verwirrung. Der Teppich, der unter dem Wolkenband liegt, fühlt sich alt an. Den haben wir mit Feuer und Wasser bearbeitet. Ein Experte kann erfühlen, woher der Teppich kommt, durch die angewandte Knüpftechnik. Das ist so wie ein Trachtenexperte, der die verschiedenen Trachten einzelnen Orten zuordnen kann.

Anthony Kiedis wollte welchen Teppich?

Er hat angerufen. "Hi, here is Anthony." Welcher Anthony? Ich kannte ihn nicht. Aber ich glaube, das fand er ganz cool, dass ich nicht vor Ehrfurcht erstarrt bin. Er hat in London einen Teppich von mir gesehen. Er wollte dann eine Sonderanfertigung für sein Haus auf Hawaii. Wir haben Computerprogramme entwickelt, die einem ein täuschend echtes Bild eines noch nicht existierenden Teppichs geben.

Wie sieht es denn in München aus? Ist das ein guter Teppichmarkt?

München ist neben Köln für uns der beste Standort. Das liegt an den Einkommensverhältnissen, aber auch an der kulturellen Situierung. In Norddeutschland funktioniert das Geschäft in manchen Großstädten kaum.

Wenn Sie nun hier wie bei Ihrem VfL-Bochum-Teppich die Passwege des FC Bayern unter Guardiola verwenden, wird das ein knallroter Teppich.

Ich bin kein echter Fußball-Fan, muss ich zugeben. Und die Laufwege waren offenbar in Bochum auch nicht so gut, denn das war das Relegationsspiel, nach dem Bochum abgestiegen ist.

Daraus kann man ja dann mal einen Teppich machen, zum draufsteigen. Und wenn Mario Götze seine Laufwege im WM-Finale haben möchte . . .

. . . dann können wir das machen.

Ist das die Zukunft des Teppichs? Die individuelle Herstellung on demand?

Ja. Das sehe ich so. So ein Teppich dauert ja sechs bis acht Monate, wenn man ihn bestellt. Bei Böhmler wird schon die Hälfte auf Bestellung verkauft. Aber Teppiche werden auch in naher Zukunft um einiges teurer werden.

Teurer als Ihr Wolken-Teppich? Der kostet 22 000 Euro.

Ja, weil die Knüpfer wissen, was ihre Arbeit wert ist und was der Kunde am Ende dafür zahlt. Innerhalb der nächsten fünf Jahre wird der Preis sich verdoppeln, denke ich.

© SZ vom 08.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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