Trendsport Bowling:Prasseln, Strike, Lässigkeit

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Bowling vereint Party, Ehrgeiz und Ästhetik - der populäre Sport aus den USA findet auch in München immer mehr Anhänger.

Philipp Crone

Dieses Geräusch macht süchtig. Ein kurzes, hölzernes Prasseln, und eine Sekunde später steht kein einziger der zehn weißen Pins mehr. Mit diesem Bild eines "Strike" im Kopf geht Lars auf die Bowlingbahn, taucht den rechten Daumen, Zeige- und Mittelfinger in die Löcher einer fünf Kilogramm schweren, knapp fußballgroßen Kugel und hebt sie langsam vor die Brust. Der 30-jährige steht bei seinem Bowling-Debüt regungslos auf der glänzenden, hellen Holzbahn Nummer zwölf der Olympia-Bowling-Anlage, um ihn herum herrscht Chaos.

Die amerikanische Kegelvariante Bowling ist seit Jahrzehnten auch in München zu Hause, und spätestens seit "The Big Lebowski" Kult. (Foto: Foto: Alessandra Schellnegger)

Auf einer Fläche so groß wie drei Tennisplätze wuseln mehr als 150 Menschen in roten Bowlingschuhen. Die Gäste aus dem Restaurant und die Freunde aus seinem Team, die auf roten Plastikstühlen kreisförmig um den Computer herumsitzen, beobachten ihn von hinten. Rechts und links neben ihm schleudert auf einer der 16 ausgebuchten Bahnen alle zwei Sekunden einer seine Kugel los. Und vor ihm warten 18,3 Meter entfernt die zehn weißen Kegel. In das regelmäßige Prasseln mischt sich der dumpfe Aufprall der Kugeln auf dem Boden, ihr Zischen über die geölten Bahnen, dazu Diskomusik, Fluch und Jubel.

Wer auch immer eine Bowlingbahn betritt, ob die Teenager auf Bahn drei oder die Senioren auf Bahn eins, jeden packt der Ehrgeiz, sobald er eine Kugel in die Hand genommen hat. Lars blickt die Pins böse an, als wären sie seine Feinde.

Kult und Boom

Die amerikanische Kegelvariante Bowling ist seit Jahrzehnten auch in München zu Hause, und spätestens seit Jeff Bridges alias "The Dude" im Film "The Big Lebowski" der Welt die Lässigkeit des Bowler-Daseins vorführte, ist nicht nur der White-Russian-Cocktail zum Kult avanciert, sondern auch der Sport gefragt. Bowling boomt auf der ganzen Welt, sagt Gisela Göbel, Sprecherin der Deutschen-Bowling-Union. "Vor allem in Asien, Skandinavien und den USA." In Orlando soll nächstes Jahr die mit 100 Bahnen weltgrößte Anlage eingeweiht werden. Und auch München legt zu.

Für die Bowling-WM im Jahr 2010 wird in Unterföhring gerade die mit 52 Bahnen größte Anlage Europas gebaut, im August soll sie fertig sein. "München ist die einzige Großstadt in Deutschland, die noch Potential hat", sagt Werner Knöbl, der die Anlage in Unterföhring betreiben wird. "Berlin zum Beispiel hat schon 50 Bowlingcenter." In München sind es gerade einmal vier. "Immer mehr junge Leute kommen zu uns", sagt Knöbl. Das liege auch daran, dass sich der Sport vom leicht schmuddeligen Image des Kegelns unterscheide, erklärt eine Mitarbeiterin des Olympia-Bowlings. "Bowling steht für guten Service und neueste Technik." Dafür zahlen Lars und seine Kollegen 20 Euro pro Stunde und Bahn.

Lars verlagert sein Gewicht langsam nach vorne, vier Schritte später bleibt er auf dem linken Fuß stehen und sieht der Kugel nach. Die rutscht erst über den Ölfilm, dreht sich dann und kracht in die Pins, es fallen alle bis auf einen. Lars dreht sich um und blickt ratlos in die Gesichter seines Teams. Wie die meisten seiner Arbeitskollegen aus dem Fitnessstudio bowlt er zum ersten Mal. Aber schon hat es ihn erwischt. Er sucht bei jedem Wurf den richtigen Bewegungsablauf und den Blickkontakt zur Bahn 13. Da spielt eine hübsche junge Frau mit blonden Haaren. "Die bewegt sich beim Werfen einfach wunderbar", sagt Lars. Das bahnenübergreifende Flirten gehört hier dazu.

Voll automatisiert

Um alle zehn Pins umzuwerfen, hat jeder pro Durchgang zwei Versuche. Schafft man es beim ersten Mal mit einem Strike, gibt es Extrapunkte. Jeder Spieler ist pro Spiel zehnmal an der Reihe, am Ende wird zusammengezählt. Einfache Regeln, einfache Abläufe, denn es ist alles automatisiert - ein amerikanischer Sport eben. Der Computer rechnet mit und zeigt das aktuelle Ergebnis nach jedem Wurf auf einem Bildschirm an. Man muss nur ab und zu kurz aus seinem Sitz aufstehen, vier Schritte machen und kann sich gleich wieder dem Getränk oder dem Gegenüber zuwenden.

Und es ist ein perfekter Sport für den modernen Menschen: Bowlen kann man zu jeder Jahreszeit und mit wem man will. Eine Mischung aus Gemütlichkeit und Geselligkeit, verbunden mit einer Portion Ehrgeiz. Wer schafft immer wieder den perfekten Bewegungsablauf und zielt richtig, knapp neben den mittleren Pin? Und wer sieht dabei auch noch gut aus?

Denn da ist auch noch die Ästhetik. Alle sehen demjenigen zu, der an der Reihe ist. Wer die schwere Kugel mit Gefühl, Kraft und Ruhe, dazu ohne Poltern auf die Reise schickt, das Gleichgewicht behält, die Pins prasseln lässt und anschließend in souveräner Pose das Holzparkett wieder verlässt, der macht Eindruck.

Prasseln, Strike, lässiges Umdrehen

Logan etwa kann das. Für den 14-Jährigen auf Bahn drei ist Bowling so selbstverständlich "wie das Atmen". Er kommt aus Philadelphia im US-Bundesstaat Pennsylvania, geht auf die internationale Schule und rollt die Kugel schon, seit er stehen kann. Beim Ausschwingen steht er nach vorne gebeugt auf dem linken Bein, das rechte beschreibt nach hinten ausgestreckt einen Halbkreis über den Boden von rechts nach links. Die Kugel setzt geräuschlos auf dem Boden auf, gleitet weich über das Holz. Prasseln, Strike, lässiges Umdrehen. Logan sagt: "Man muss sich ganz entspannen, ruhig atmen, den ersten Pin anpeilen und nur an diesen einen Wurf denken."

Lars lächelt bei dem Rat ein bisschen. Mit dem neuen Wissen direkt aus dem Heimatland des Bowling nimmt er nun Maß. Es prasselt, und diesmal fallen alle Pins. Lars klatscht seine Kollegen ab, nur der Blick zur Nebenbahn wird wieder nicht erwidert. Dann geht das Licht aus, die Musik wird lauter.

20 Uhr, Disko-Bowling. Nur die Pins am Ende der Bahnen sind beleuchtet. Es wird zur vollen Stunde fliegend gewechselt. Die einen trinken aus, geben ihre Schuhe ab und die Bahn frei, die nächsten stellen ihre Getränke ab, schnüren die Schuhe und tippen neue Namen in den Computer. Auch Lars und seine Kollegen müssen weichen, sie gehen rüber zum Buffet. Die Frau in Blond ist nicht zu sehen. Lars sagt: "Ich habe gehofft, dass sie mich anspricht, aber irgendwie will sie nicht." Doch am Buffet sieht er sie wieder - die Chance, sie anzusprechen. Vielleicht sollte er es gleich mit der Bowlingtechnik versuchen: Ganz entspannen, ruhig atmen, den ersten Satz anpeilen und nur an dieses Gespräch denken.

© SZ vom 07.01.2009/agfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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