Trends im Münchner Nachtleben:Ausgehen? Mit dem Zweithandy

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Junge Leute betreiben gern Club-Hopping, sagt Robert Solansky von den Nachtagenten. (Foto: Nachtagenten/oh)

Wie hat sich das Nachtleben in München verändert? Gehen junge Leute anders weg als ältere Generationen? Nachtagentenchef Robert Solansky sieht da gewaltige Unterschiede.

Interview von Philipp Crone, München

Alle sieben bis zehn Jahre gibt es eine neue Generation im Nachtleben, sagt Robert Solansky, Chef der Nachtagenten. Seine Firma beobachtet die Entwicklung, seine Fotografen sind nachts in den Clubs, fotografieren die Gäste, die wiederum die Bilder auf der Webseite sehen können. Nun hat Solansky, 46, den Night-Pass entwickelt, eine Art Bonus-Karte für Clubs. Es ist eine Reaktion auf das veränderte Ausgehverhalten, sagt er.

SZ: Herr Solansky, warum braucht München einen Night-Pass?

Robert Solansky: Weil die Leute, die in der Stadt weggehen, häufig zur Generation Maybe gehören. Die gehen nicht mehr so wie wir früher nur in einen Laden, sondern immer häufiger in mehrere hintereinander, sie betreiben also Club-Hopping.

Und sollen Ihre Disco-Karte kaufen . . .

Man bezahlt monatlich für die Karte, und bekommt in Clubs je nach Variante vergünstigten oder freien Eintritt. Das kommt den Gewohnheiten entgegen, dass die Leute den Ort oft wechseln.

Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

Zum einen liegt es an der technischen Entwicklung. Ich sehe auf meinem Smartphone: Jemand hat auf Facebook gepostet, dass er mit Freunden im Club nebenan ist. Also gehe ich dorthin. Außerdem gilt noch immer die Regel: Wer viele Stempel auf dem Arm hat, hat eine gute Nacht gehabt. Und drittens gibt es ganz unterschiedliche Peak-Times, die man dann nutzen kann.

Peak-Times?

Das ist die Zeit, in der die meisten Besucher da sind. Je nach Altersstruktur der Zielgruppe in den Clubs kommen die Leute eher früher oder später. Je jünger das Publikum, desto früher das Besucher-Peak.

Wann ist das Peak in der Nachtgalerie?

Da liegt die Zielgruppe zwischen 18 und 23 Jahren, und die haben oft schon um 23 Uhr vor dem Einlass eine Schlange. In der Milchbar ist das Publikum hingegen etwas älter, deren Peak ist etwa zwischen zwei und drei Uhr.

Und die Generation Maybe wandert von Peak zu Peak.

Zum Beispiel. Am Ende dann noch ins Palais, die machen um Mitternacht auf und haben ihr Peak um fünf. Dort bleiben die Leute bis um elf Uhr.

Ihre Karte ist eine physische Karte im EC-Karten-Format. Warum haben Sie keine App entwickelt?

Aus mehreren Gründen. Zum einen hat es schon etwas Besonderes, seinen schwarzen Night-Pass vorzuzeigen, auf das Lesegerät zu legen und umsonst reinzugehen. Zum anderen gibt es immer mehr Leute, die zum Weggehen ein billiges Zweithandy haben, kein teures Smartphone, und da keine Apps installieren können.

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Text: Kathrin Hollmer und Johanna Bruckner, Illustration: Katharina Bitzl

Warum ein Zweithandy?

Weil sie vielleicht schon zwei oder drei iPhones verraved haben. Im Taxi verloren, betrunken in der Isar versenkt, so etwas. Ich kenne viele, die sich ein Billighandy für 15 Euro kaufen nur fürs Weggehen. Auch deshalb keine App, sondern eine Karte.

Was kostet der schwarze Pass?

44 Euro im Monat. Das Geld hat man theoretisch an einem Abend reingeholt.

Mit dem kommt man jede Nacht in alle Clubs umsonst?

In alle, die bislang mitmachen, das sind der Crowns Club, das Harry Klein, die Milchbar, Neuraum, Nachtgalerie und das Palais. Im Januar kommen neue dazu.

Aber nicht das P1, das hat keinen Eintritt.

Ja, die Edel-Läden wie P1 oder Heart haben ja eine andere Philosophie. Aber wir haben seit dem Start vor zehn Tagen schon hundert Karten verkauft.

So eine Art Karte fördert das VIP-Gefühl. Gibt es das in der aktuellen Weggeh-Generation so auch noch?

Ja! Es ist schon immer so, gerade im Nachtleben: Jeder will ein besonderer Gast sein, er will sich abheben von der Masse, das ist schon alles sehr hedonistisch. Und das liegt am Grundbedürfnis oder dem generellen Ziel beim Ausgehen: Es geht letztlich um Pärchenfindung. Man muss auffallen, durch sein Outfit, durch die Frisur oder eben vielleicht auch ein bisschen mit einer Karte, mit der ich am Eingang elegant bezahle. Die trägt dazu bei.

Was haben die Clubs von der Aktion?

Zum einen sind sie an den Umsätzen beteiligt, und zum anderen profitieren sie auch mehr von Leuten, die viele Clubs besuchen.

Warum?

Einer, der fünf Stunden in einem Club bleibt, konsumiert weniger als fünf, die nur eine Stunde bleiben. Weil sich jeder am Anfang schon einmal ein Getränk kauft. Außerdem wird so gewährleistet, dass immer neue Leute kommen. Für einen Club ist es auch wichtig, dass nicht nur die Stammkunden da sind. Denn wenn die mal wegbleiben . . .

Und Sie glauben, dass sich die Leute an einem Abend in vier Schlangen stellen wollen?

Ja. Vor allem, weil es von drei Uhr an ohnehin keine Schlangen mehr gibt. Da geht man halt schnell rüber in die Milchbar und schaut, was da los ist. Das ergab zumindest unsere Umfrage bei den Usern.

Was ergab die noch?

Dass es in München grundsätzlich drei Arten von Ausgehern gibt. Das Feiertier, das dreimal in der Woche unterwegs ist, dann den Wochenendausgeher, der meist am Samstag in den Club geht, und den Gelegenheitsmenschen, der einmal im Monat ausgeht.

Welche Party ist denn die beste? Die, auf der man zuerst war, oder doch eher die letzte?

Früher war oft die erste Party die beste, aber man ist ja doch meistens noch weitergezogen. Denn klar ist auch: Man kann es nie wissen.

© SZ vom 04.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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