Tierschau des Circus Krone:Colonel Joes tiefer Schlaf

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Münchens zweiter Zoo - die Tierschau des Circus Krone nahe der Hackerbrücke: Es ist ungewiss, wie lange es hier noch Nilpferde, Löwen und Elefanten geben wird.

Von A. Becker, S. Loerzer und J. Käppner

Colonel Joe hat sich nach dem Frühstück noch einmal hingelegt. Das wäre an sich nichts Ungewöhnliches für einen Herrn, der schon ein wenig in die Jahre gekommen ist. Nur: Colonel Joe ist nun mal kein Herr, sondern ein indischer Elefantenbulle, und Elefanten pflegen eigentlich nicht so viel zu schlafen. Der Colonel lebt im Circus Krone, und Anfang kommender Woche soll er zusammen mit den anderen Zirkustieren auf Tournee gehen.

Fühlen sich die 200 Tiere von Münchens zweitem, weithin unbekannten Zoo wohl in ihren Gehegen? Tierschützer bezweifeln das, die Stadt München bereitet schärfere Verordnungen vor. (Foto: Foto: Haas)

Selbst viele Münchner wissen nicht, dass die Stadt, zumindest im Winter, neben Hellabrunn einen zweiten Zoo hat - den auf dem historischen Kronegelände hinter der Hackerbrücke. Sonntags kann man ihn besichtigen. Es ist ein pittoresker Ort, und es überrascht, hier in dem alten Gewerbe- und Brauereiviertel Fabrikhallen zu finden, in denen Elefanten dösen, weiße Löwen durch Gitterkorridore streichen und ein Nilpferd ein Schwimmbecken bewohnt.

Doch der Krone-Zoo ist umstritten. Im Februar hatte das Amtsgericht Darmstadt den Zirkus verurteilt, weil die Tiere auf dessen Sommer-Rundreisen nicht artgerecht verwahrt seien: zu wenig Platz, zu wenig Beschäftigung. Tierschützer klagen, am Münchner Stammsitz, wo weit mehr Platz ist, gehe es wenig besser zu. Am 21. April will sich der Kreisverwaltungsausschuss München daher noch einmal mit der Wildtierhaltung des Zirkus beschäftigen.

Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) ist gerade dabei, die Bedingungen "in einem umfassenden Genehmigungs- und Auflagenbescheid sowohl für das Winterquartier als auch für die Tournee festzuschreiben", wie Referent Wilfried Blume-Beyerle berichtet. Das heißt, der Zirkus wird noch viele Auflagen erfüllen müssen. Er habe aber "in vielen problematischen Punkten vorab und freiwillig eingelenkt", so dass sich eine Regelung erübrige: "Es gibt aber nach wie vor Beanstandungen und Kritik." So bleibt offen, ob sich die Stadt mit dem Zirkus einigen - oder ebenfalls Bußgeldbescheide verhängen wird.

Durchs Land reisende Zirkusse, die Tiere aus exotischen Länder zeigen und Kunststücke machen lassen - das gibt es schon seit Jahrhunderten. Doch nun sind diese altmodischen, aber noch immer sehr beliebten Wanderzirkusse vom Aussterben bedroht. Die Haltungsbedingungen für die Löwen und Tiger, Elefanten und Flusspferden findet immer weniger Akzeptanz. In der Manege mögen sie Stars sein, aber im Zirkuskäfig beklagenswerte Kreaturen. Letzteres behaupten zumindest die Tierschützer, die heftigen Druck auf den Gesetzgeber machen.

Doch für das Tierschutzrecht ist der Bund zuständig, und noch ist die Gesetzeslage nach dem Scheitern eines Verbotsantrages im Bundesrat so, dass jede gängige Tierart im Zirkus gehalten werden darf. Evelyne Menges, Vizepräsidentin der "Aktion Tier - Tierrettung München" und CSU-Stadträtin setzt sich dagegen für ein gesetzliches Verbot ein: "Die wiederholt beim Circus Krone festgestellten Missstände sind ein Beleg dafür, dass eine artgerechte Haltung von Wildtieren im Zirkus nicht möglich ist."

Etwas schmucklos wirkt der Zirkuszoo, und doch sind die meisten Besucher begeistert: Wo sonst lassen sich Zebras oder Lamas schon an der Nase kraulen? Denn die Krone-Tiere sind den Umgang mit Menschen ja gewohnt. Hier, behaupten die Zirkusleute, gehe es den Tieren sogar besser, weil sie beschäftigt werden. Dressur, Training und Pflege der Tiere, so erklärt Sprecherin Susanne Matzenau, basierten auf Vertrauen, Lob und Belohnung. "Deshalb steigen die Tiere auch freiwillig in die Transporter, Bestrafung oder gar Gewalt - das brächte nichts", sagt sie.

Fühlten sich die Tiere bedroht und würden aggressiv, könne man ja nicht mehr mit ihnen arbeiten: "Dass Zoos mittlerweile auch Tiervorführungen im Programm haben, zeigt doch, dass wir auf dem richtigen Weg sind."

Da sind die vier Seelöwen von Petra und Roland Duss, die im März zu Gast im Circus Krone sind. Sie sind, wenn man so will, echte Berühmtheiten, mimen die vier männlichen Tiere doch in einer Fernsehserie die weibliche Robbe "Robbie". An diesem Vormittag jedoch haben die Seelöwen frei, sie schwimmen und spielen in einem Pool, der für sie in den Stallungen aufgestellt worden ist. Erscheint ihr Herr, Ronald Duss, klettern sie über den Beckenrand, geben Flosse oder verteilen nach Fisch riechende Küsschen.

Auch die Zebras verlieren ihren angeborenen Fluchtinstinkt, taucht ein menschliches Wesen auf - vor allem, wenn es sich dabei um ihren Stallmeister Pietro Bento handelt. Wichtig, so meint er, sei nicht die Größe eines Geheges, wichtig seien die Bedürfnisse der Tiere. Voller Zutrauen lassen sie sich streicheln und stecken ihre Nasen in die Manteltaschen auf der Suche nach verborgenen Leckereien. Dass dies die Löwen von Dompteur Martin Lacey, gleich gegenüber, in Lauerstellung bringt, stört sie herzlich wenig. Nahen Kontakt mit den Tieren herzustellen, das ist es, worum es hier geht, sagt Matzenau: "Viele Kinder denken doch heute, dass Kühe lila sind."

In einem anderen Gebäude, hinter den Löwenkäfigen, stehen 60 Pferde, Araber, Lippizzaner, Friesen. Das KVR hatte dort in der Vergangenheit einiges zu bemängeln: zu wenig Auslauf, zu kleine Boxen für den Transport. Mittlerweile hat Krone die Transportwagen vergrößert und auch im Stall noch eine Laufbox eingebaut - und wenn es Wetter und Vorstellungstermine zulassen, kommen die Tiere auf eine Weide in Weßling.

Auch bei den Elefanten hatte es Beanstandungen gegeben. Auch hier hat der Zirkus nachgebessert. Von typischen hospitalistischen Bewegungen gefangener Tiere, wie einem immer wiederkehrenden Kopfschütteln der Elefanten, dem "Weben", ist nichts zu bemerken. Auch ist Colonel Joe, der 42-jährige Bulle, ebenso wenig angekettet wie seine sieben Artgenossen. Vielmehr schläft er - und zwar lange und im Liegen. Das ist erstaunlich, weil Elefanten normalerweise im Stehen schlafen, und das recht kurz. Aber in der Manege ist Colonel Joe fit. Vielleicht sind Zirkustiere einfach nur ein bisschen anders.

© SZ vom 28.03.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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