Tierheim:Wenn der Liebling zur Last wird

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Mehr als 500 Katzen sind im vergangenen Jahr gefunden und im Tierheim abgegeben worden. (Foto: Sonja Marzoner)

Zu hohe Kosten, zu viel Ärger: Alte, gebrechliche Katzen und Hunde werden oft einfach ausgesetzt. Der Tierschutzverein sammelt Spenden, um sie alle unterbringen zu können - und fordert härtere Strafen für Halter.

Von Florian Fuchs und Lena Liebau

Sandel ist eine wirklich hübsche Katze: grau-weiß gescheckt, mit großen grünen Augen. Ihre Betreuer sagen, das 13 Jahre alte Tier sei kinderlieb und brauche viele Streicheleinheiten. Katzenhalter müssten Sandel also eigentlich mögen, und trotzdem verbringt das Tier seine Tage zurzeit im Tierheim in Riem. Die Katze ist wahrscheinlich ausgesetzt worden. Nachdem sie gefunden wurde, hat man sie ins Tierheim gebracht. Ein Besitzer hat sich dort allerdings nie gemeldet.

Seit zwei Jahren beobachten die Mitarbeiter im Tierheim den Trend, dass immer mehr alte und damit kranke oder gebrechliche Tiere - vor allem Katzen - ausgesetzt werden. "Was zu viel Arbeit, Ärger und auch Kosten macht, will man offenbar loswerden", klagt Sprecherin Judith Brettmeister. "Manchmal komme ich mir schon vor wie im Tier-Altenheim." Katze Sandel etwa leidet an einer Schilddrüsenerkrankung und muss täglich Tabletten bekommen. Das ist eigentlich kein großer Aufwand, dem Besitzer ist es aber vielleicht trotzdem zu viel geworden. Das Problem aus Sicht der Tierschützer ist: Halter, die ihre Tiere aussetzen, haben kaum Strafen zu befürchten.

Kostenfaktor Haustier

532 Katzen sind laut Jahresbericht des Tierheims im Jahr 2013 gefunden und in den Räumlichkeiten in Riem abgegeben worden. Nur 259 der Tiere sind zurück an den Besitzer gegangen. Auch alte Hunde werden ausgesetzt. Brettschneider kann sich an einen 17 Jahre alten und blinden Pudel erinnern, der kaum mehr laufen konnte. Passanten entdeckten ihn auf der Straße in Sendling. Gerade wenn die Tiere im Alter häufig zum Tierarzt müssen, wollen ihre Halter sie loswerden. "Bei einer Operation wegen Arthrose zum Beispiel kommen ein paar hundert Euro zusammen, das wollen sich die Leute sparen", sagt Brettmeister. Die meisten Halter rechneten anfangs gar nicht damit, was so ein Tier einmal kosten kann. "Es wäre eigentlich schlau, sich zu Beginn der Haltung ein Depot mit Reserven anzulegen, aber das versäumen viele Besitzer."

Ein Tier weiter zu vermitteln, ist für das Tierheim gar nicht so einfach. Zahlreiche Interessenten, berichtet Brettmeister, hätten viel zu hohe Ansprüche. "Die wollen ein Tier, das noch ganz jung und munter ist und dazu am besten schwarz-lila gestreift." Alte Tiere also stehen nicht so hoch im Kurs. "Wir haben aber natürlich gerade ältere Damen, die ein ruhigeres Tier suchen. Das passt dann ganz gut zusammen." Ein großes Problem sei es, dass junge Tiere so leicht zu bekommen seien. Junge Katzen etwa verkaufen Bauern für 20 Euro.

Konsequente Strafen gegen Halter

Überhaupt, sagt Brettmeister, seien Katzen erst in den vergangenen 20 Jahren zu Tieren geworden, die sich auch Städter vermehrt halten. "Früher waren die Tiere auf einem Bauernhof und blieben da bis zu ihrem Tod." In Städten ist die Gefahr also größer, dass die Tiere ausgesetzt werden. Wegen der steigenden Zahl von Fundtieren sehnen sich die Mitarbeiter im Tierheim danach, dass im nächsten Jahr endlich das neue Katzendorf eröffnet wird. Auf 1100 Quadratmetern sollen Fundkatzen dort leben können, bis sie vermittelt werden. Allerdings fehlen noch mehrere hunderttausend Euro Spendengeld.

Die Mitarbeiter im Tierheim würden sich aber auch wünschen, dass die Justiz gegen Halter, die ihre Tiere aussetzen, konsequenter vorgeht. Experten beklagen, dass es nur selten zu Prozessen kommt. Meist kann den Besitzern kein Vorsatz nachgewiesen werden. Dabei wäre es bereits strafbar, wenn Halter Fenster oder Türen bewusst offen stehen lassen, damit ein Tier wegläuft. Bei der Polizei heißt es, dass die Besitzer sich oft herausreden - und den Ermittlern in den meisten Fällen gar nichts anderes übrig bleibt, als von Fahrlässigkeit und nicht von Vorsatz auszugehen. Die Staatsanwaltschaft will sich nicht einmal dazu äußern, wie oft Halter verurteilt werden, die ihr Tier einfach aussetzen.

Für die Mitarbeiter im Tierheim, sagt Brettmeister, wäre es schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung, wenn sich Halter vor der Anschaffung eines Tieres überlegen, was an Aufwand und auch Kosten später auf sie zukommen könnten. "Dann hätten wir bei uns in Riem weniger Probleme mit Tieren, die wegen ihres Alters ausgesetzt werden."

© SZ vom 09.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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